Zur Barmherzigkeit aufgefordert und im Stich gelassen

Bangladesch ist mit der Aufnahme der geflüchteten Rohingya überfordert, Indien und Australien wollen sie wieder loswerden

  • Frederic Spohr, Bangkok
  • Lesedauer: 3 Min.

Bangladesch schon genug Probleme: Das Land hat gerade erst die schlimmsten Flutkatastrophen der vergangenen 40 Jahre hinter sich. Laut dem Internationalen Roten Kreuz waren rund ein Drittel des gesamten Landes unter Wasser, mehr als 700 000 Häuser wurden zerstört. Nun kommen täglich Tausende fliehende Rohingya aus Myanmar ins Land.

Schon in den vergangenen Jahren retteten sich bis zu 500 000 Rohingya nach Bangladesch. Seit dem 25. August haben laut den Vereinten Nationen mindestens weitere 400 000 Flüchtlinge die Grenze überquert. Die dortige Regierung hat jedoch kein Interesse daran, die Flüchtlinge aufzunehmen. Regierungschefin Sheikh Hasina stellte klar, dass die Flüchtlinge nur kurzfristig willkommen seien. Stattdessen solle Myanmar eine Schutzzone für die muslimische Minderheit errichten und so eine Rückkehr ermöglichen. Auch wenn die de-facto-Regierungschefin von Myanmar am Dienstag angekündigt hat, geflohene Rohingya - nach einer Prüfung - wieder aufzunehmen, die Chancen für eine Heimkehr stehen schlecht. Am Donnerstag attackierte in Sittwe in Myanmar ein Mob eine Hilfslieferung des Roten Kreuzes. Eine Rückkehr der Muslime scheint unerwünscht.

Weil in den Lagern in Bangladesch längst kein Platz mehr ist, lassen sich die Flüchtlinge überall nieder, wo sie eine freie Stelle finden. Die Behörden teilten nun mit, dass neue Lager gebaut werden sollen: insgesamt rund 14 000 Unterkünfte für jeweils sechs Personen. Gleichzeitig soll die Bewegungsfreiheit der Rohingya in Bangladesch stark eingeschränkt werden.

Zwar läuft die internationale Hilfe an, doch in Bangladesch wächst die Sorge, dass man die größte Last wohl selbst tragen müsse. Mit einem Pro-Kopf-Einkommen von umgerechnet 1080 Euro gehört das Land zu den ärmsten der Welt. Ein Drittel der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Die Lebensbedingungen sind schlecht, zahlreiche Einheimische fliehen selbst. Laut der EU-Grenzschutzorganisation Frontex sind Bangladescher die zweitgrößte Gruppe, die über das Mittelmeer als Flüchtlinge nach Italien kommen.

Neben Geld fehlt es Bangladesch auch an Platz. Kaum ein Land ist dichter besiedelt: Auf einem Quadratkilometer wohnen laut der Weltbank im Durchschnitt rund 1200 Menschen. Einige Kabinettsmitglieder haben sich dafür ausgesprochen, die Flüchtlinge auf der unbewohnten, rund 30 000 Hektar großen Insel Thengar Char im Golf von Bengalen anzusiedeln. Das erst 2006 aufgetauchte Eiland gilt als unwirtlich und wird regelmäßig überflutet. Human Rights Watch, rechnet für den Fall einer tatsächlichen Umsiedlung auf die Insel mit einer humanitären Katastrophe.

Doch während das Ausland Bangladesch zu mehr Barmherzigkeit auffordert, zeigt es sich selbst kaum hilfsbereit. Von den Hunderttausenden Rohingya aus Bangladesch wurden in den vergangenen Jahren bisher erst wenige tausend in anderen Ländern aufgenommen. Diesen Monat kündigte Indiens Regierung an, rund 40 000 geflohene Rohingya abschieben zu wollen. Diese Woche wurden Pläne der australischen Regierung bekannt, geflohene Rohingya aus dem Lager auf der Insel Manus mit 20 000 australischen Dollar zu bezahlen, dass sie freiwilligen nach Myanmar zurückkehren.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.