Mieter werden aus der Stadt gedrängt

Rhein-Main-Gebiet: Wohnungsmarkt leergefegt

  • Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden
  • Lesedauer: 3 Min.

Dass sich Normal- und Geringverdiener in den Metropolen des Rhein-Main-Gebiets immer häufiger keine angemessene Wohnung leisten können, ist seit Jahren bekannt. Während ländlich geprägte Regionen Hessens wie der Vogelsbergkreis, Odenwaldkreis, Werra-Meißner-Kreis oder der Landkreis Waldeck-Frankenberg einen Bevölkerungsrückgang beklagen, zieht das Ballungsgebiet Rhein-Main rund um Frankfurt am Main und Wiesbaden weiter Menschen aus Nah und Fern an. Doch der Bau erschwinglichen Wohnraums für breite Schichten der Bevölkerung kommt nicht nach.

Dieser Tage sorgten neue Zahlen in Wiesbaden für Aufregung. Demnach gehört Hessens Landeshauptstadt, derzeit mit rund 280 000 Einwohnern auf Platz 24 unter Deutschlands Großstädten, zu den bundesweiten Spitzenreitern in punkto Mietbelastung. So ergab eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung über die »Wohnverhältnisse in Deutschland«, dass in Wiesbaden bereits im Jahr 2014 mit einem Durchschnittswert von 8,66 Euro pro Quadratmeter die siebthöchste Bruttokaltmiete verlangt wurde. Immer mehr Menschen müssten mindestens ein Drittel ihres Einkommens für Miete verwenden, erklärt der örtliche Mieterbund. Der Wohnungsmarkt sei »leergefegt«, berichtete dieser Tage die Lokalpresse unter Berufung auf ein junges Paar, das nach längerem Auslandsaufenthalt in die Heimat zurückgekehrt war und nach intensiver Suche notgedrungen eine 100-Quadratmeter-Wohnung für eine Warmmiete von 1500 Euro monatlich akzeptieren musste.

Solche Fälle mit horrenden Mietsteigerungen bei Neuvermietungen sind aus Sicht des Mieterbundes keine Ausnahme. Derzeit müssten Wiesbadens Mieter im Schnitt bereits deutlich über elf Euro pro Quadratmeter und Monat aufbringen. Ein Ende des Anstiegs sei nicht in Sicht.

»Nichts Neues in Wiesbaden. Die Stadt hat es versäumt, bezahlbare Wohnungen zu bauen oder zu kaufen - und nun sind die Investoren da und bestimmen den Preis« kommentiert ein Beobachter des Immobilienmarkts die Entwicklung. »Ich kenne viele Häuser, die günstig gekauft und saniert wurden und dann den Mietern für richtig viel Geld angeboten wurden.« Es sei »ein Witz«, wenn die Verantwortlichen beteuerten, sie könnten nicht nachholen, was die ganze Zeit vernachlässigt wurde: »Die politischen Karrieren begannen ja nicht erst gestern.« In Wiesbadens Rathaus geben SPD und CDU den Ton an, seit 2016 gibt es ein »Kenia«-Bündnis mit den Grünen.

In Wiesbaden und Frankfurt halten Luxussanierung und Mietervertreibung in attraktiven Lagen an. Nicht wenige Menschen, die unter dem Druck von Investoren aus bisher relativ preiswerten Wohnungen gedrängt werden, bleibt am Ende der nervenaufreibenden Suche nach einer neuen Bleibe innerhalb der Stadtgrenzen nur die Option, eine preisgünstigere Wohnung im Umland zu nehmen. Mit deutlich längeren täglichen Anfahrtswegen in die Städte.

Trotz hektischer Betriebsamkeit der kommunalen Baudezernate und Debatten über neue Baugebiete ist eine Linderung der Wohnungsnot im Rhein-Main-Gebiet nicht in Sicht. In Wiesbaden drückt zudem die zahlungskräftige »US Military Community« rund um das Europa-Hauptquartier der US-Landstreitkräfte die Mieten nach oben. In Frankfurt/Main suchen nach dem britischen Brexit-Referendum zunehmend »Brefugees«, also in der Regel zahlungskräftige Banker, eine neue Bleibe, weil ihre Firmen von der Themse an den Main umzuziehen gedenken.

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