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»In politisch bewegten Zeiten«
Der Linkspartei macht der Rechtsruck zunehmend Sorgen
Wahlpartys sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Wer beispielsweise die Wahlabende bei der heutigen LINKEN über die Jahre verfolgte, kann davon ein Liedchen singen. Diese alle vier Jahre wiederkehrende Zitterpartie bei der PDS in den 1990ern, die große Enttäuschung 2002 als nur zwei direkt gewählte Abgeordnete das Fähnchen der Partei im Bundestag hoch hielten. Und die relative Gelassenheit in den letzten zehn Jahren, seit eine gesamtdeutsche Linkspartei ihren festen Platz im bundesdeutschen Parteiensystem behauptete.
Gefühlsarm ging es also nie zu bei der LINKEN - doch am Sonntagabend bei der Wahlparty im Berliner Festsaal Kreuzberg war alles einen Zacken schärfer. Es war nicht nur voll wie schon lange nicht mehr. Vor dem Veranstaltungsort bildeten sich nach 18 Uhr lange Schlangen offenbar spontaner Besucher nach der Verkündung der ersten Hochrechnung. Die Wahlkämpfer wie Wähler waren offensichtlich in der Mehrheit auch nicht nur gekommen, um mit der Partei ihrer Wahl bis zur Präsentation der Zahlen zu bangen oder sie zu feiern, sondern aus tiefer Sorge um die Zukunft des Landes, das mit dem befürchteten Einzug der AfD in den Bundestag eine anderes werden würde.
Im Festsaal ist dann auch die AfD in den Gesprächen allgegenwärtig. Vor allem unter dem jugendlichen Publikum spielen die Rechtsradikalen eine große Rolle, weshalb auch die Frontfrau von »Frollein Smilla«, die eigentlich in den Wahlabend mit Musik einleiten sollte, großen Beifall bekam, als sie bekannte, zum ersten Mal auf einem Parteievent zu sein, und hoffe, »dass nicht die Falschen zu viel Macht bekommen mögen«.
Die Hoffnung sollte sich nicht erfüllen. Als 18 Uhr die ersten Balken auf den diversen Bildschirmen in die Höhe schnellten, bekam die Union ein hämisches, die SPD ein mitleidiges Lächeln, die LINKE natürlich viel Beifall, bei Grünen und FDP gab es diverses Kopfschütteln zwischen Staunen und Ungläubigkeit. Das AfD-Wahlergebnis wurde auf der Linkspartei-Party indes mit Pfiffen und Buh-Rufen quittiert.
Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn, der als erstes auf die Bühne kam und das noch gar nicht richtig verdaute Wahlergebnis kommentierte, nahm sich dennoch zunächst Zeit, die linken Wahlkämpfer und Sympathisanten vor allem zu loben. Es sei bei einer Bundestagswahl das zweitbeste Ergebnis in der Geschichte der Partei: »Darauf können wir stolz sein. Denn es wurde geschafft in politisch bewegten Zeiten.«
Höhn nannte das Wahlergebnis für die AfD eine Zäsur für die Bundesrepublik. Die Große Koalition sei am Sonntag zu Recht abgewählt worden, weil das Wahlergebnis auch Ergebnis ihrer Politik sei. Unter dem großen Beifall der Partygäste versicherte Höhn: »Im nächsten Bundestag werden wir die Kraft sein, die sich der AfD entgegenstellt, und wir werden in den nächsten vier Jahren nicht nur im Bundestag, sondern auch auf der Straße klare Kante gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Hetze und Antisemitismus zeigen.« Das quittierte der Saal mit deutlich spürbarer Zustimmung - und einer Einmütigkeit, die auf früheren Wahlpartys der LINKEN eher seltener geworden waren.
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