Deutschland, deine Intellektuellen
Bernd Zeller über die auffallende Zurückhaltung von Geistesgrößen im zu Ende gegangenen Wahlkampf
In unserem heutigen Bericht behandeln wir zwei zusammenhängende Themen, deren Verbindung sich vielleicht nicht auf den ersten Blick erschließt, die aber nicht ohne einander verstanden werden können. Das eine ist die von einer großen süddeutschen Zeitung aufgeworfene und tiefgründig behandelte Frage, wo denn die Intellektuellen geblieben seien in diesem Wahlkampf, da man von ihnen nichts bemerkt habe. Das andere ist die Neue von Gerhard Schröder.
Es ist zu einer schönen Gewohnheit geworden, dass sich die Intellektuellen zu Wahlkämpfen äußern, da sie als Wähler auch nur eine Stimme haben wie alle anderen und demzufolge wenig erreichen, hingegen ihre Stimme erheben können und damit ganz viele erreichen. Es fällt einem dabei als erstes Günter Grass ein, der mit seinem Einsatz als gereifter Mann seine eigene Vergangenheit als minderjähriger Bewaffneter ausglich, oder Heinrich Böll; es gab aber noch viel mehr, nur eben ohne Nobelpreis. Das ist auch schon ein wesentlicher Grund für die Zurückhaltung der sonstigen Intellektuellen: Sie wollen nicht als Sonstige erscheinen und nicht daran erinnert werden, keinen Nobelpreis zu haben. Dieser Umstand lässt sich auch durch eventuelle hohe Intellektualität nicht ausgleichen.
Und dann kam beim jetzt stattgefundenen Wahlkampf noch die Angst dazu, dass es vielleicht durch das Wahlergebnis mal wieder andersherum kommen könnte. Intellektuelle sind keine Helden, das erwartet auch niemand von ihnen. Wenn sie also befürchten müssen, dass wirklich das passiert, wovor sie warnen und wogegen sie mahnen, dann tun sie gut daran, so zu tun, als wären sie nicht da. Sie wären sonst die ersten, von denen das neue Bekenntnis verlangt werden würde. Und das - wie Intellektuelle sagen - geht gar nicht.
Wir können annehmen, dass sich die Intellektuellen ihres Dilemmas durchaus bewusst gewesen sind. Wenn sie nicht, wie es auch einmal üblich war, den Schulterschluss mit den Arbeitern und allen anderen Werktätigen vollziehen, wären sie leicht der Ausbeuterklasse zuzurechnen. Es liegt auf der Hand, dass nur eine moralische Überlegenheit, die öffentlich präsentiert werden muss, ihren Status rechtfertigt. Die Moral wird jedoch bekanntlich von den Herrschenden bestimmt, weshalb es die Parteien, die als Gewinner gehandelt werden, leichter haben, Intellektuelle für sich zu gewinnen, als angehende Verlierer, wobei es genügt, wenn dem Spitzenkandidaten das Siegerimage anhaftet.
Dies nun ist der Bezugspunkt zu Gerhard Schröder. Der Gerd war so sehr Siegertyp, dass er sich nicht um seine Partei zu kümmern brauchte, sondern sich vor seinem Bundeswahlkampf nur mit einer neuen Ehefrau zu schmücken hatte, was den Einsatz von Intellektuellen übertraf. Noch immer sieht Doris Schröder-Köpf besser aus als die meisten Intellektuellen, so sehr das auch unter dem Aspekt der Geschlechtergerechtigkeit schmerzt. Auch unbequeme Wahrheiten müssen in den Wahlzeiten ausgesprochen werden dürfen. Man hatte aber von Gerhard Schröder vermutet, er würde die attraktive Partnerin einsetzen, um an Geld und Macht zu gelangen. Enttäuschend ist nun angesichts der Tatsache, dass er seit einem Jahr eine neue, jüngere Partnerin hat, dass man den Eindruck gewinnen muss, er habe Geld und Macht erstrebt, um an eine neue junge attraktive Partnerin zu gelangen.
Der Dame tut man natürlich unrecht, wenn man annimmt, sie habe sich in ihrer Partnerwahl von solchen Attributen leiten lassen, aber in der Informationsgesellschaft zählt die Wirkung, welche wiederum von unseren eigenen Vorstellungen bestimmt wird. Es ist genauso möglich zu vermuten, dass Frau Kim davon begeistert war, welche Intellektuellen sich einst für Gerhard Schröder eingesetzt haben, Günter Grass etwa oder »Zeit«-Herausgeber Helmut Schmidt. Doch für so was wollen sich aktuelle Denker nicht einspannen lassen, und das völlig zu Recht.
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