Krabben nur für Reiche

Ein schlechter Fang ist für Fischer eine gute Nachricht, seit sie sich zusammenschlossen

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

An den Hamburger Landungsbrücken kostet ein Krabbenbrötchen derzeit sagenhafte 11,50 Euro. Wer Krabben »satt« mag, muss in manchem Fischgeschäft für 100 Gramm immerhin 7,99 Euro hinblättern. Etwas günstiger wird es für Kunden an der Küste. Nun mögen linke Feinschmecker einen solchen Preis für eine solche Delikatesse durchaus für angemessen halten. Schließlich müssen für ein Kilo Krabbenfleisch drei Kilo Krabben gefangen, gebrüht, verarbeitet und über fünftausend Kilometer transportiert werden. Die meisten Krabben werden weiterhin in Marokko von Frauen per Hand »gepult«. So wird das Schälen der Nordseegarnelen genannt. Möglich wird dies alles durch eine eingefahrene Logistikkette zweier Großhändler aus Holland, Heiploeg und Klaas Puul. Deren Marktanteil an der Küste zwischen Belgien und Dänemark liegt bei über 80 Prozent.

Angesichts der eingespielten Kühl- und Konservierungskette der Konzerne sind kleine Fischhändler, die hierzulande Maschinen zum Pulen einsetzen, beim Preis chancenlos. Ihre Kosten sind 20 Prozent höher. Mit Niedriglohnarbeitern aus Osteuropa hat die Branche schlechte Erfahrungen gemacht: »Nach einem Tag haben sie es mit dem Rücken«, erzählt ein Fischer. »Die Kälte im Kühlraum.«

Zur derzeitigen Entwicklung hat auch die Europäische Kommission ihren Teil beigetragen. Ihre Auflagen sorgen dafür, dass die Verarbeitung von Krabben nur noch von wenigen Feinkost-Fischhändlern betrieben wird. Wurden früher die frischen Fänge von den Fischerfrauen in Heimarbeit gepult, schreibt die EU heute aus hygienischen Gründen kostspielige Reinräume vor.

All diese Bedingungen erklären aber noch nicht die aktuellen Wahnsinnspreise. Zu denen trugen die Natur und der Wittling bei. Die Population des Raubfisches ist gerade mal wieder besonders üppig - und er frisst die jungen Garnelen, bevor sie Fanggröße erreichen. Die Fänge sanken seit dem Frühjahr 2016 um mehr als die Hälfte, berichtet der Fischereibiologe Philipp Oberdörffer.

Nicht zum Schaden der Fischer: Durch das knappe Angebot stiegen ihre Preise so hoch, »wie wir sie noch nicht hatten«. Die geringen Fangmengen würden durch die teuren Preise »ausgeglichen«. Mehr als ausgeglichen, wie die Marktberichte der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) in Bonn zeigen. Bis zu 15 Euro erhielten Fischer zeitweilig für ein Kilo - als auskömmlich gelten drei Euro. Aktuell erhalten sie etwa fünf Euro.

Seit der letzten Krabbenkrise vor fünf Jahren haben sich zwei grundlegende Dinge verändert. Eine Fischerfamilie aus den Niederlanden hat den holländischen Marktführer Heiploeg von einem Investor in Singapur gekauft. Was die Zusammenarbeit mit den deutschen Erzeugern sehr verbessert haben soll. Schummeleien und Preisdumping, so ist im Fischereiverband zu hören, gebe es nun kaum noch.

Entscheidend ist aber, dass die Einzelkämpfer sich in der Krise zu einer Art Genossenschaft zusammenschlossen. 2012 gründeten Hundert Krabbenfischer aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein die »Erzeugergemeinschaft der Deutschen Krabbenfischer« in Cuxhaven. Dadurch wurde ihre Verhandlungsposition nachhaltig gestärkt, sagt der Geschäftsführer der Erzeugergemeinschaft Oberdörffer. »Der Fischer macht sein Geschäft nicht über die Menge, sondern über den Preis.«

Allerdings half den Erzeugern, dass die Fangmengen schon seit anderthalb Jahren niedrig ausfallen. Ob es für die Fischer gut geht, wenn wieder mehr Krabben gefangen werden? Ralf Döring, Ökonom am Thünen-Institut für Seefischerei in Hamburg, bleibt skeptisch. »Die Preise werden auf Dauer nicht so hoch bleiben.« Ob die Erzeugergemeinschaft bei steigenden Fängen noch stark genug sein werde, um dem Oligopol aus Holland Paroli zu bieten, sei eine spannend Frage.

Die Fänge nehmen wieder zu - langsam sinken die Preise. An den Landungsbrücken, einem beliebten Touristenziel, dürfte es dennoch noch eine Weile dauern, bis der Preis für das Krabbenbrötchen spürbar sinkt. »Es gibt immer mehr Leute, die sich auch Mondpreise leisten können«, hat ein Einzelhändler in einem teuren Hamburger Stadtteil beobachtet. Nicht allein bei Krabben.

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