Landwirte mit gemischten Gefühlen
In Niedersachsen rechnet man mit Preisdruck - und überzeugender Qualität
Eiligen Leuten erscheinen sie als Ärgernis, gelassenere Zeitgenossen nehmen sie als ein typisches Stück Niedersachsen hin: die Rübentransporte, die sich alljährlich im Herbst zu den Zuckerfabriken bewegen. »Vorsicht - die Rübe rollt« oder ähnlich werden Autofahrer gewarnt, zu dicht auf die manchmal hoch beladenen Anhänger aufzuschließen. Rüben sind hart und solide; dank der Zuckerquote bislang auch mit Blick auf eine zuverlässige Wirtschaftsplanung bäuerlicher Betriebe.
Das mengenmäßig wichtigste deutsche Zucker-Produktionsgebiet ist Niedersachsen. Dort haben im vergangenen Jahr rund 6200 Betriebe auf 87 000 Hektar Fläche Zuckerrüben angebaut und nahezu ein Drittel der gesamten deutschen Produktion gestemmt. Ist es nun vorbei mit der Solidität eines Erzeugnisses, dessen geregelter Preis und Anbau die Betriebsinhaber verhältnismäßig ruhig in die Zukunft schauen ließen? Sind Höfe bedroht durch einen Preissturz, wie ihn der Wegfall der Milchquote 2015 mit sich brachte?
In der Region Südniedersachsen setzen besonders viele Landwirte auf die Zuckerrübe. Gut tausend sind im dortigen Anbauerverband vereinigt, der dem Quoten-Aus »mit gemischten Gefühlen« entgegensieht, wie Geschäftsführer Dirk Wollenweber gegenüber »nd« das Empfinden vor Ort zusammenfasst. Gewiss, den Landwirten böten sich nun »viele Chancen«, weil sie sich »in einem freieren Markt bewegen« könnten. Aber, und das bereite vielen Kollegen Sorge, es fallen vertraute, Sicherheit bietende Reglements weg. Dazu zählten Mindestpreise ebenso wie »eine gewisse Mengendisziplin in Europa«. Das wiederum bedeutet für Wollenweber: »Wir sind den Mächten des Marktes voll ausgeliefert.«
Unsicherheit macht sich breit: »Wir können es einfach nicht abschätzen, was in den nächsten Jahren mit uns Rübenanbauern passiert«, so der Verbandsvertreter. Ob sie so bedrückend wird wie die der Milchbauern nach dem Quoten-Aus in deren Produktionsbereich? Derart düster möchte Wollenweber das Kommende nicht skizzieren. Milch und Zucker ließen sich nicht 1:1 vergleichen, erläutert er. Milch sei ein Frischeprodukt und müsse rasch geliefert werden, mit Zucker könne man anders umgehen, ihn gegebenenfalls auch lagern. »Und Zucker kann man exportieren.« Aber auch dieser Gedanke kann den Schatten, den die Milchkrise über die Landwirtschaft geworfen hat, nicht beiseite schieben. »Eine gewisse Sorge haben wir schon, dass es bei den Rüben ein ähnliches Szenario geben könnte«, räumt Wollenweber ein.
Ihm und seinen Kollegen ist bewusst, dass sie vom 1. Oktober an mit internationaler Konkurrenz auf dem Zuckerrübenmarkt rechnen müssen. »Da wird sich manches neu sortieren - Angebot und Nachfrage werden ihre Wirkungen zeigen - wie, das lässt sich noch nicht abschätzen«, meint der Verbandschef vorsichtig. Er hat einen Trumpf parat, der doch etwas positiv in die Zukunft blicken lässt: »Wir produzieren qualitativ, in sozialer Hinsicht und in punkto Umwelt mit höchstem Standard«, unterstreicht er und ergänzt: »Wir hoffen, dass das honoriert wird von denen, die unseren Zucker verwenden - die Süßwaren- und Getränkeindustrie ebenso wie die Verbraucher in Niedersachsen.«
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