Augenbrauen zupfen verboten!

Die Entscheidungen der Ethikkommission des iranischen Fußballverbandes findet sogar die Regierung »bizarr«

  • Oliver Eberhardt, Erbil
  • Lesedauer: 4 Min.

»Sie können mich gerne eitel nennen«, sagt Mohsen Forusan gegenüber »nd«. Die Haare des 29-Jährigen sind sorgsam frisiert, das Gesicht sorgsam mit Herrenkosmetik gepflegt, auch ein paar Tattoos habe er: »Gutes Aussehen ist mir wichtig. Und ich entscheide, was mir gefällt.« Damit ist er nicht allein: Auch viele andere iranische Fußballer verbringen gefühlt genauso viel Zeit vor dem Spiegel, wie auf dem Spielfeld.

In der Islamischen Republik ist der Fußball eine Welt für sich: Jene Sportler, die im Ausland gespielt haben, bringen westliche Mode und Meinungen mit, verbreiten sie unter den Kollegen. Und bringen damit regelmäßig den eigenen Verband gegen sich auf. Denn im iranischen Fußballverband hat man sich fest vorgenommen, die Einhaltung »islamischer Werte« durchzusetzen. Was das bedeutet, bekam Forusan in der vergangenen Woche zu spüren. Die Ethikkommission des Verbands suspendierte den Spieler für vier Monate »wegen unislamischen Verhaltens«, und der Anlass waren weder die Tattoos noch die Fönfrisur, sondern: Die Tatsache, dass Forusan sich die Augenbrauen hat zupfen lassen.

»Bizarr«, nannte ein Sprecher von Präsident Hassan Ruhani den Beschluss des Verbandes. Es ist nicht der einzige: Immer wieder greift die Ethikkommission des Verbands sehr tief in das Leben der Spieler und ihrer Familien ein und versucht zu bestimmen, was zu tun und was zu unterlassen ist.

So sorgte die Kommission vor einigen Wochen für Aufsehen, als man Masud Schojaei und Esan Hadschi Safi aus der iranischen Nationalmannschaft ausschloss, weil die beiden für den griechischen Klub Panionios ein Spiel gegen die israelische Mannschaft Maccabi Tel Aviv absolviert hatten. Und auch Forusan hatte schon mal Ärger, weil er per Instagram seine Verlobung bekannt gegeben hatte. Das Problem: Die zukünftige Ehefrau Nasim Nahali ist ein erfolgreiches Model für Brautmode. Und auch Schojaei wird öfter mal vorgeladen: Im Frühjahr hatte man Anstoß daran genommen, dass er sich für eine Aufhebung des Stadionverbots für Frauen ausgesprochen hatte.

Wohlgemerkt: Keine dieser Handlungen ist im Iran illegal; anders als im Libanon gibt es auch kein Gesetz, dass den Kontakt mit Israelis verbietet. Und auch das Stadionverbot für Frauen geht nur auf den Vorsitzenden der Ethikkommission zurück: Mortesa Turak ist ein ehemaliger Richter, dessen eigene Verbindung zum Fußball vor allem darin besteht, dass er zum Tode Verurteilte, er selbst hat nach eigenen Angaben mehr als 1000 solcher Urteile verhängt, an Baukränen in Fußballstadien aufhängen ließ; ein Umstand den er offen eingesteht. Der derzeit amtierenden Justiz hingegen wirft er vor, »zu lasch« zu sein.

Die iranische Ethikkommission war 2008 gegründet worden, um die Ethikrichtlinien der FIFA umzusetzen. Doch schon bald entwickelte der Ausschuss seine ganz eigenen Interpretationen der FIFA-Regularien: »Die Situation ist von Land zu Land verschieden; die Regeln müssen deshalb an die Gegebenheiten vor Ort angepasst werden«, sagt Ex-Richter Turak gegenüber »nd«: »In unserem Land müssen auch die Regeln des Islam als Leitfaden herangezogen werden.« Das Ergebnis ist ein insgesamt 242 Seiten und mittlerweile 1478 Verhaltensvorschriften umfassendes Regelwerk: Keine Tattoos, keine zu enge Kleidung, kein Spielen mit Israelis, keine Frauen beim Männerfußball.

Natürlich hat Turak auch für jede einzelne Regel eine Begründung parat. Die Highlights: »Im Stadion wird viel geflucht, und das kann Frauen schweren seelischen Schaden zufügen«. Und: »Enge Kleidung lenkt vom Sport ab.« Und: »Tätowierungen sind hässlich. Der Islam ist aber eine Religion der Schönheit.«

Vor allem das Stadionverbot für Frauen sorgt dabei für Empörung: So lieferte sich vor dem Spiel Iran gegen Syrien eine Gruppe von Frauen außerhalb des Stadions eine Schlägerei mit dem Sicherheitspersonal. Die Frauen hatten, wie das sehr oft der Fall ist, versucht, als Männer verkleidet ins Stadion zu gelangen.

»Es ist im Grunde guter Ton, sich nicht an die Regeln der Ethikkommission zu halten«, sagt Mohsen Forusan. Denn wenn nicht gerade Alkohol, Drogen, zu schnelles Fahren oder akute Luxusexzesse im Spiel sind, können die Spieler in der regel auf die Unterstützung von Öffentlichkeit und Vereinen vertrauen: Viele Klubs lassen die Spieler trotz Suspendierung antreten. »Sollen sie die Spieler doch von der Polizei vom Platz holen lassen«, sagt Ali Akbar Taher, Chef des Teheraner Vereins Persepolis. Passiert ist derlei bisher noch nicht.

Nach dem Rausschmiss von Schojaei und Safi aus der Nationalmannschaft brach indes ein massiver Sturm der Entrüstung los. Selbst das Büro von Ajatollah Ali Khamenei teilte mit, die »nationale Aufgabe« sei ein möglichst gutes Abschneiden bei der Weltmeisterschaft. Regierung und Ajatollah lassen keinen Zweifel daran, dass man die Ethikkommission und vor allem Turak am liebsten loswerden würde. »Die Entscheidungen sind für viele Iraner schwer verständlich und verletzen die Privatsphäre in unzulässiger Form«, sagt ein Sprecher von Präsident Hassan Ruhani. Doch der Fußballverband sei unabhängig; die Regierung habe keinen Einfluss auf die Personalentscheidungen. Und da die Ethikkommission auch bei der Besetzung der Führungsposten im Verband maßgeblich mitredet, ist mit Veränderungen von innen heraus nicht zu rechnen.

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