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Der ganz normale Terror
René Heilig zu den Toten in Las Vegas und zum längst aufgegeben Kampf gegen die US-Waffenlobby
Das sind die Momente, in denen man reflexhaft von Wahnsinn spricht. Mindestens 50 Tote, 200 Verletzte, zahllose Menschen, die ihr Leben lang traumatisiert sind und ein schwindender Glaube an die Behörden, die versprechen, allen Bürgern ein Optimum Sicherheit zu bieten.
Noch weiß man viel zu wenig über den Schützen, seine Motive, mögliche Helfer. Doch es ist Wahnsinn! Ein Wahnsinn der tief verwurzelt ist in der US-amerikanischen Gesellschaft. Die muss weniger Terror von außen fürchten, sie trägt ihn wie selbstverständlich in sich. Pro Jahr kommen in den USA mehr als 30.000 Menschen durch Schusswaffen ums Leben. Rein statistisch vergeht kaum ein Tag, an dem nicht mindestens eine Massenschießerei zu vermelden ist. Kein Wunder, denn die Mordwerkzeuge bekommt man in einigen Staaten sogar schon in Supermärkten. Fast 90 von 100 Bürgern besitzen mindestens eine Schusswaffe. Laut der Organisation »Action on Armed Violence« sind 270 Millionen Schusswaffen in Privathand. Andere Statistiken gehen sogar von bis zu 310 Millionen aus. Darunter ist Schießgerät, das normalerweise nur in Kriegen zum Einsatz kommt.
Es ist das Recht des Volkes, Waffen zu besitzen und zu tragen, bestimmt der zweite Zusatzartikel der US-Verfassung. Aufgeschrieben wurde der 1791. Seither ging es nur weiter bergab mit der Vernunft. Bis hoch zum Obersten Gerichtshof wurde der Irrsinn immer wieder bestätigt und fortgeschrieben. Das Waffenrecht ändert sich von Bundesstaat zu Bundesstaat, doch die Unterschiede ändern nichts am Prinzip. In Texas ist es seit Januar 2016 wieder erlaubt, Waffen im Alltag zu tragen: Bei der Arbeit, in der Freizeit, beim Shoppen, im Theater. Einzige Bedingung: Man muss die Mordwerkzeuge offen zeigen. So wie John Wayne in seinen Western. Und so möchten viele US-Männer auch aussehen.
Männlich, weiß, über 55 Jahre alt, das ist der Normaltyp eines Waffennarren. Denn das genau sind sie, auch wenn die Masse von ihnen behauptet, nur die Familie und sich verteidigen zu wollen. Tennis und Golf waren gestern. Heute ist es einfach »in«, auf einem Schießstand zu trainieren. Und natürlich mit Gattin oder Freundin.
Seit Jahren streiten die Waffenlobby und ihre Gegner über schärfere Gesetze zur Kontrolle des Waffenbesitzes. Barack Obama hatte schärfere Gesetze zu einem der Hauptanliegen seiner Amtszeit gemacht. Er scheiterte. Vor allem am Widerstand der Republikaner im Kongress, die der Waffenlobby hörig sind. Nun haben die Republikaner in beiden Parlamentskammern die Mehrheit und stellen den Präsidenten, der es nicht einmal fertig brachte, Rechtsextremisten als Verbrecher zu bezeichnen, nachdem sie bei einem Aufmarsch in Charlottesville (Bundesstaat Virginia) eine Gegendemonstration umgebracht und mindestens 19 Menschen verletzt haben.
Man kann kaum erwarten, dass Präsident Donald Trump sich jetzt der Gier der Waffenlobby und dem Irrsinn der Waffennarren massiv und kompromisslos entgegenstellt. Im Gegenteil. Er missachtet das Leben anderer und trägt das Vokabular des Todes nur noch tiefer in die Gesellschaft, wenn er sogar vor der UNO droht, ein ganzes Volk auslöschen zu wollen.
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