Beobachtungszentrum für Mittelmeer geplant

EU, NGOs und Wissenschaftler wollen gemeinsam Menschenrechtsverletzungen auf See dokumentieren

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 2 Min.

Offenbar soll ein unabhängiges Beobachtungszentrum für das Mittelmeer eingerichtet werden. Laut der Seenotrettungsorganisation Sea Watch haben sich Ende September in London Vertreter der EU, von NGOs, der italienischen Küstenwache sowie Wissenschaftler darauf geeinigt. Die Queen Mary Universität hatte die verschiedenen Organisationen zu der Konferenz »Tod auf See und die Gewährleistung von Such- und Rettungsmissionen« eingeladen.

Als Folge von »kontroversen Debatten« habe man dann ein Pilotprojekt zur Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen auf dem Mittelmeer beschlossen. Die Londoner Queen Mary Universität und die Macquarie Universität von Sydney sollen die Verantwortung für das unabhängige Beobachtungssystem tragen. In einzelnen Arbeitsgruppen seien bereits erste Ansätze zur Finanzierung, zur Unabhängigkeit des Zentrums und zur Prävention gegen Datenmissbrauch ausgearbeitet worden.

»Es ist ein Erfolg, dass es der Universität als neutraler Ort gelungen ist, die verschiedenen Akteure an einen Tisch zu bringen«, sagte Ruben Neugebauer, Sprecher der Seenotrettungsorganisation Sea Watch, gegenüber »nd«. Gerade als NGO sei man der wissenschaftlichen Vermittlung dankbar, da den Seenotrettern in den vergangenen Monaten wiederkehrend Intransparenz vorgeworfen worden war. Das Zentrum könne nun helfen, die Erfahrungen der Hilfsorganisationen zu belegen, nach denen die libysche Küstenwache immer wieder Menschenrechtsverletzungen auf See begehe.

Jedoch müsse abgewartet werden, wie das Projekt vorankomme: »Die EU konnte die Einladung der Universität schlecht absagen - wir werden sehen, wie weit sie in das Dokumentationszentrum eingebunden werden kann.«

Sea Watch weist daraufhin, dass die Errichtung der unabhängigen Beobachtungsstelle nur eine von neun Forderungen erfüllt, die gemeinsam von acht NGOs im Juni erhoben wurden. Die weiteren Forderungen umfassen unter anderem den Stop der Kriminalisierung von Seenotrettern sowie die Errichtung von legalen und sicheren Fluchtwegen nach Europa.

Die Beobachtung des Mittelmeers könnte umso wichtiger sein, da Fluchtversuche über die Libyen-Sizilien-Route offenbar wieder zunehmen. Fast 6000 Schutzsuchende erreichten dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) zufolge im September Italien, im August waren es rund 4000 Menschen. Im Unterschied zum vergangenen Jahr sind jedoch trotz der erneut ansteigenden Flüchtlingszahlen kaum noch Seenotretter im zentralen Mittelmeer präsent. Die Gefahr war nach Angriffen der Libyer zu groß.

»Da wir schlechter an die Küste kommen, ist unsere Luftaufklärung nun wichtiger«, erklärte Sea-Watch-Sprecher Ruben Neugebauer. Erst kürzlich habe man ein sinkendes Boot entdeckt und ein Schiff der irischen Marine informieren können. Als dieses ankam, hätten sich jedoch bereits alle 120 Flüchtlinge im Wasser befunden.

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