Fremdeln auf der Oppositionsbank

Nach 100 Tagen Laschet-Regierung haben vor allem die Sozialdemokraten im Landtag noch nicht ihre Rolle gefunden

  • Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist still geworden um die ehemalige nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und ihren Innenminister Ralf Jäger. Seit der Wahlniederlage im Mai hört man von beiden Sozialdemokraten kaum noch etwas, obwohl sie noch im Landtag sitzen. Dort beschränken sie sich aber auf ein Dasein als Hinterbänkler und die Mitgliedschaft im Sportausschuss. Nach der Wahlniederlage im Mai brauchte es neues Personal in der Landtagsfraktion. Wobei auch das neue Personal nicht wirklich neu ist. Die Landtagsfraktion wird von Norbert Römer »für eine Übergangszeit« geführt. Das Amt des Fraktionsvorsitzenden hat Römer allerdings schon seit 2010 inne. Auch die Wahl von Ex-Bauminister Michael Groschek zum Vorsitzenden der NRW-SPD steht nicht unbedingt für einen personellen Neuanfang.

Das sieht bei den Grünen anders aus, dort hat sich mit Sylvia Löhrmann eine prägende Figur der rot-grünen Regierung aus dem Landtag zurückgezogen. Die Fraktion der Grünen hat mit Monika Düker und Arndt Klocke eine neue Führung bekommen. Mit Düker wird die Fraktion jetzt von einer profilierten Innenpolitikerin geführt, die mit ihrem Widerstand gegen Abschiebungen nach Afghanistan auch auf Konfrontationskurs gegen die rot-grüne Regierung gegangen war.

Den Grünen gelingt es nun auch besser als die SPD, sich als Oppositionspartei zu profilieren. Was freilich auch daran liegt, dass CDU und FDP mit Priorität grüne Projekte abwickeln und zurückfahren. So will die Landesregierung den Ausbau der Windenergie eindämmen. Die Grünen halten dies für verfehlt und werfen der Koalition vor, die »Wachstumsbranche Windenergie auszubremsen« und »mit bürokratischen Auflagen Zehntausende Arbeitsplätze« zu gefährden. Auch die fragwürdigen Bedingungen, unter denen Schweine auf dem Hof der neuen Landwirtschaftsministerin Christina Schulze Föcking (CDU) gehalten werden, wurden von den Grünen scharf kritisiert. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) werfen sie einen »fehlenden politischen Instinkt« bei der Besetzung des Kabinetts vor. Insgesamt fehle es der Landesregierung an »politischen Visionen«, heißt es in einer Bilanz der ersten 100 Tage. Die Grünen versuchen dabei, sich nicht nur im Landtag als Oppositionspartei zu profilieren, auch auf den außerparlamentarischen Feldern ist die Partei wieder aktiver geworden. So waren zahlreiche Vertreter im August bei den Protesten im rheinischen Braunkohlerevier beteiligt.

Bei der SPD sieht es anders aus. Sie sucht noch nach sich selbst. Die Kneipen im Ruhrgebiet wolle man zurückerobern, hatte Michael Groschek kurz nach der Wahlniederlage im Mai gesagt. Gelungen ist das den Sozialdemokraten bisher allerdings nicht, wie das Ergebnis der Bundestagswahl zeigt. Die Direktmandate zwischen Duisburg und Dortmund gewinnt die SPD zwar noch, aber nicht mehr mit den Ergebnissen vergangener Jahre. 17 Prozent für die AfD in der alten SPD-Hochburg Gelsenkirchen bereiten der Partei große Sorgen.

Und auch im Landtag haben die Sozialdemokraten sich noch nicht so recht in der Oppositionsrolle eingefunden. Zwar gibt es die eine oder andere Attacke auf die Landesregierung, diese wechseln sich allerdings damit ab, dass die SPD positive Zahlen, etwa zur Wirtschaftsentwicklung in NRW, für sich reklamiert. Den Sozialdemokraten fehlt es in der Opposition noch an einer klaren Handschrift. Diese wird allerdings wohl erst zu sehen sein, wenn sich die Fraktion auf einen neuen Vorsitzenden geeinigt hat, was wohl nicht mehr in diesem Jahr passieren wird.

Die schwache Opposition, die derzeit faktisch nur aus den Grünen besteht, - von der AfD ist bis auf kleine Anfragen, die sie aus anderen Bundesländern kopiert, nichts zu hören - macht es Armin Laschet leicht zu regieren. Seine Koalition hat zwar nur eine Stimme Mehrheit, aber von den restlichen Parteien kommen keine Anträge, die einzelne Abgeordnete ins Grübeln bringen könnten.

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