In der Erreichbarkeitsfalle
Arbeitszeit
Immer mehr Menschen geht es so: Feierabend zu haben bedeutet noch lange nicht, dass nichts mehr zu tun ist. Hier noch eine E-Mail vom Kollegen beantworten, dort noch eine WhatsApp-Nachricht lesen, und manchmal ruft sogar der Vorgesetzte am Wochenende an.
Dass ständige Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit Menschen psychisch belasten kann, ist schon lange bekannt - doch es fehlen Lösungsansätze, wie man mit E-Mails und Simsen zur »Unzeit« adäquat umgehen kann. »Es geht nicht darum, Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeiten zu verteufeln. Wichtig ist nur, sie so zu gestalten, dass sie einen Nutzen bringt«, sagt Nina Pauls, Arbeits- und Organisationspsychologin an der Uni Freiburg.
Simple Faustregel: Man muss darüber reden
»MASTER - Management ständiger Erreichbarkeit« heißt eine Studie, mit der Wissenschaftler erkunden wollen, wie man die Erreichbarkeit von Mitarbeitern so gestalten kann, dass weder ein Unternehmen noch die Beschäftigten unter den Arbeitsbedingungen leiden.
Das Ergebnis klingt ganz simpel, ist aber in vielen Unternehmen noch nicht angekommen: Man muss darüber reden. Dann lässt sich auch ein Modus finden, der auf die Bedürfnisse der Firma wie auch der Mitarbeiter zugeschnitten ist.
Befragt haben die Forscher für die Studie etwa 300 Mitarbeiter von fünf Unternehmen der IT-Branche. Sie wollten zunächst wissen: Wer ist üblicherweise wie oft außerhalb seiner Arbeit erreichbar? Wie wirkt sich das aufs Wohlbefinden aus?
Dabei habe sich gezeigt, dass Beschäftigte überdurchschnittlich viele Probleme mit Erreichbarkeit haben, wenn diese firmenintern nicht thematisiert wurde. Nicht die Verfügbarkeit allein war das Problem, sondern oftmals auch eine Unsicherheit unter den Mitarbeitern, was von ihnen eigentlich erwartet wird. Viele wissen zum Beispiel gar nicht, ob sie auf eine Mail am Wochenende antworten müssen, andere wiederum sind aus genau diesem Grund unsicher, zu welcher Zeit sie etwas verschicken dürfen.
Workshops bringen Klarheit
Unklarheiten in der Kommunikation und in den Erwartungen können zu einer Belastung werden. Genau dort setzte der nächste Schritt des Projekts an. Geklärt wurden Fragen wie: Wer muss in einer Mail überhaupt in den Verteiler? Sollte man wichtige Mails vorab per SMS ankündigen? Welches Medium benutze ich? So kann man Termine viel besser über einen Online-Kalender ausmachen als über eine endlose E-Mail-Flut.
Eines der an der Studie beteiligten Unternehmen ist eine Freiburger Softwarefirma. Von den 100 Beschäftigten sind viele auch außerhalb der üblichen Arbeitszeiten erreichbar, weil man diese so flexibel wie möglich gestaltet. Die Freiburger Betriebsrätin Corinna Heist verwies dabei auf die Gefahr, dass »die Teams den Kontakt untereinander verlieren«. Das Unwissen darüber, welcher Mitarbeiter zu welcher Zeit erreichbar sei, habe sich negativ auf die Projektarbeit ausgewirkt.
Sie selbst habe sich umgestellt. »Ich habe einige Wochenend- und Abendtermine - und darüber kommuniziere ich jetzt viel mehr. Das hat den Vorteil, dass die Kollegen wissen, wann ich noch für die Arbeit erreichbar bin.« epd/nd
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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