»Nicht ganz fair«
Österreich klagt gegen deutsche Maut, weitere Anliegerstaaten schließen sich nur zögerlich an
Österreich macht seine Drohung wahr und klagt gegen die in Deutschland geplante Pkw-Maut, die vor allem Ausländer treffen soll. Am Donnerstag teilte das Verkehrsministerium in Wien mit, man werde die Klage noch am selben Tag am Europäischen Gerichtshof (EUGH) in Luxemburg einreichen. Tags zuvor war die Frist für ein Stellungnahmeverfahren der EU gegen die Brüsseler Entscheidung abgelaufen, ihr eigenes Vertragsverletzungserfahren gegen Deutschland einzustellen. Die Kommission hatte mit der Verfahrenseinstellung eine Gesetzesänderung des Maut-Gesetzes faktisch akzeptiert. Das deutsche Verkehrsministerium in Berlin reagierte am Donnerstag entsprechend selbstsicher auf die österreichische Klageankündigung. Die Pkw-Maut sei rechtmäßig. »Die Ausschreibungen für das Mautsystem laufen. Die Maut kommt«, so ein Sprecher. Nach dem Prinzip »Wer nutzt, der zahlt - und keiner zahlt doppelt« werde Gerechtigkeit auf deutschen Straßen geschaffen.
Die deutsche Pkw-Maut ist mittlerweile Sujet einer mehrjährigen Politikkomödie, dessen Beginn im Jahr 2013 liegt, als die CSU die Forderung in ihr Bundestagswahlprogramm aufnahm. Obwohl Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Maut zunächst ausschloss, wurde sie später Teil des Regierungsprogramms der Großen Koalition aus Union und SPD. Von der CSU unumwunden als »Ausländer«-Maut deklariert, war sie von Anfang an umstritten, weil Deutsche ihr Geld über eine niedrigere Kfz-Steuer voll erstattet erhalten sollen. Das 2015 schließlich beschlossene und wegen des Streits mit der EU dann auf Eis gelegte Gesetz wurde nach einigen Änderungen endgültig im März dieses Jahres beschlossen. Das veränderte Maut-Modell sieht unter anderem stärkere Steuerentlastungen für besonders saubere Autos vor. Kurzzeittarife für ausländische Fahrer wurden mit sechs statt drei Preisstufen gestaffelt. An der grundlegenden Kritik hat sich nichts geändert, und Österreich ist einer der schärfsten Kritiker dieser Maut. Auch in Deutschland bleibt der Widerstand hörbar - vor allem auch in Grenzregionen, weil dort die Sorge wirtschaftlicher Einbußen durch einen nachlassenden kleinen Grenzverkehr am größten ist.
Wien widerspricht nicht grundsätzlich der Einführung einer Maut, Österreich selbst erhebt sie. Dass am Ende nur Ausländer zahlten, sei aber nicht mit den Grundwerten der EU vereinbar, hatte Verkehrsminister Jörg Leichtfried immer wieder betont. »Ich kämpfe auch für eine Europäische Union, die eine Solidargemeinschaft ist«, so Leichtfried. Die Ankündigung der Klage fällt in Endspurt des Wahlkampfes zur Parlamentswahl am Sonntag.
Tschechiens Ministerpräsident Bohuslav Sobotka hatte die Mautregelung als »nicht ganz fair« kritisiert; einer Klage wird sich Prag aber nicht anschließen. Politiker warnten vor einer Verschlechterung der Beziehungen zu Deutschland, dem mit Abstand wichtigsten Handelspartner des Landes. Anders die Niederlande - Den Haag will nur noch die österreichische Klagebegründung abwarten. Mit Agenturen Kommentar Seite 4
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.