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Die bessere Linke
Leo Fischer findet, dass es keine guten oder bösen politischen Mittel gibt, sondern nur wirksame und unwirksame
Über den Aufstieg der Neuen Rechten in Deutschland schreiben viele. Vor allem diejenigen, die ihn zu verantworten haben. Mit geradezu strafbarer Blauäugigkeit haben zahllose, durchaus linksliberale Medienmacher es zugelassen, dass sich neurechte Netzwerke etablieren und im öffentlichen Alltag einnisten. Noch Ende der Nullerjahre wurde man von den meisten Journalisten belächelt, wenn man auf den aufhaltsamen Aufstieg von zentralen Figuren wie Jürgen Elsässer hinwies. Artikel zu dem Thema hatten es schwer - wurden sie von den Redaktionen überhaupt einmal berücksichtigt, enthielten sie zahlreiche Anmerkungen: Niemals wurde man müde zu beteuern, es handele sich um Spinner, irrlichternde Gestalten, letztlich kaum der Erwähnung wert. Die Legende vom »dummen Nazi«, an der der Grundschulantifaschismus immer noch festhält, mag hier hineingespielt haben.
Nun liegen die dummen Nazis in bester Position an den Bahnhofskiosken; hervorragend organisierte Kameraden dominieren die Kommentarspalten der sozialen Medien, ihre bürgerlichen Vertreter ziehen lawinenartig in die Parlamente, und in jenen Schreibstuben, in denen man sich nicht eh schon mit dieser neuen Normalität arrangiert hat, reibt man sich immer noch erstaunt die Augen. Sie werden sie sich noch reiben, wenn diese Leute sie mitsamt ihrem Liberalismus aus den Büros hinauskomplimentieren.
Es gibt ein unbeirrbares Bedürfnis in der politischen Linken, es besser zu machen. Grundsätzlich. Nicht nur muss noch die kleinste Positionierung im Plenum ausdiskutiert werden; es werden jeder noch so braven Polemik die Dornen abgezwickt, bis sie aussieht wie einem Zweckform-Vordruck für Protestnoten entsprungen.
Nie dürfe man sich der Methoden des Gegners bedienen - »When they go low, we go high«, lautete ein traurig gescheitertes Motto der amerikanischen Demokraten. Die schmutzigen, gemeinen Kerle haben gewonnen, und sie hören im Amt nicht auf, gemein und schmutzig zu sein. Im Bedürfnis, es unentwegt besser und besser, ethischer und sauberer zu machen, ist man letztlich dazu gekommen, es überhaupt nicht zu machen. Verloren gegangen ist die Erkenntnis, dass es überhaupt keine guten oder bösen politischen Mittel gibt, sondern nur wirksame und unwirksame. Gegen die bestens vernetzten und mit der geballten Macht von automatisierten Mailsystemen, Bot-Newsfeeds und im Dutzend eingekauften Klickarbeitern aus Fernost ausgestatteten rechten Bastionen hat die Linke wenig mehr vorzuweisen als das reine Gewissen, sich solch schmutziger Mittel stets enthalten zu haben. Stattdessen ist es höchste Zeit, damit anzufangen.
In dieser Hinsicht letztes Armutszeugnis war die Idee der liberalen »Taz«, noch kurz vor der Bundestagswahl gegen die Partei »Die PARTEI« zu agitieren. Der einzigen Partei, die einen konsequent antifaschistischen, konsequent gegen die AfD gerichteten Wahlkampf gemacht hatte, wurde vom Zentralorgan der Besserlinken bescheinigt, letztlich schlimmer als die neue Rechte zu sein. Was man in der Berliner Rudi-Dutschke-Straße nicht erträgt, ist Lärm, Chaos, Klamauk, Spaß, wie sie allesamt von der PARTEI ausgehen - alles schmutzige Methoden, unseriös, unfein, unmöglicher Umgang. Da hielt man sich in der »Taz« das Taschentuch vors Näschen: Antifaschismus ja, aber fein und gesittet muss es dabei zugehen! Ihre unerhörte sittliche Reinheit hat die links orientierten Parteien Zehntausende Stimmen gekostet - mit der großen Ausnahme der PARTEI. Denn Schmutz funktioniert. Und im Politischen darf letztlich nur entscheiden, was funktioniert.
Viele Leute fragen, was sie denn jetzt machen sollen, wenn am Arbeitsplatz die Rechten das Maul jetzt wieder weiter aufreißen als zuvor. Dabei ist gesellschaftliche Ächtung nicht nur das wirksamste Mittel gegen Nazis, sondern auch das billigste. Man muss nicht einmal etwas tun, sondern kann sogar darauf verzichten, etwas zu tun: nicht grüßen, nicht mitmachen lassen, kein Wohlgefühl vermitteln. Doch schon das ist vielen bereits zu schmutzig. Es ist nicht nett, es ist nicht ethisch. Das stimmt. Aber es funktioniert. Im Gegensatz zu PARTEI-kritischen Leitartikeln in einer Zeitung, die einen Bruchteil des Publikums eines AfD-nahen Botnetzwerks erreicht.
Man sollte nicht versuchen, auf Teufel komm raus ein besserer Linker zu sein. Es wäre oft schon genug, überhaupt nur ein Linker zu sein.
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