Merkel beschwört das rote Gespenst

Kanzlerin warnt im Niedersachsen-Wahlkampf vor Koalition aus SPD, Grünen und Linkspartei

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Gespenst geht um bei der CDU in Niedersachsen. Das Gespenst der LINKEN. Auch jetzt im Endspurt vor der Landtagswahl beschwört Spitzenkandidat Bernd Althusmann wie ein biblischer Unheilsprophet jene Partei als gefährliches Phantom, das Heulen und Zähneklappern über das zweitgrößte Bundesland bringen wird. Sollte es denn SPD und Grüne in einer Koalition mit einbinden.

Bei seiner Geisterjagd auf die LINKE hat der Hannoveraner Politiker Schützenhilfe von seiner Chefin bekommen: Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel bläst auf ihrer Unterstützungstour zwischen Küste und Harz in das gleiche Horn wie ihr Parteifreund in Richtung die LINKE. Beispielsweise in Vechta. Rund 2500 Zuhörer erlebten in der 31 000 Einwohner zählenden Stadt nahe Bremen, wie die Regierungschefin warnend tönte: Rot-Rot-Grün - »das darf nicht sein«.

Bereits die derzeitige rot-grüne Landesregierung in Niedersachsen, so mahnte Merkel, habe im Bundesrat manches von der Großen Koalition getragene Vorhaben blockiert. Komme es nun in Hannover zu einer Koalition mit der Linkspartei wäre das »noch schlimmer«.

Hilfe aus Berlin gab es auch für diejenigen, die Althusmann offensichtlich fürchtet, wie der Teufel das Weihwasser: für die LINKE. Mehrere ihrer Spitzenvertreter waren gekommen, mit dabei Sahra Wagenknecht und jüngst auch Gregor Gysi. Vor mehreren hundert Zuhörerinnen und Zuhörern, die trotz Regens ins Zentrum der Landeshauptstadt gekommen waren, stellte der Präsident der Europäischen Linken angesichts des Abgasskandals bei VW die Frage in den Raum: »Warum hat eigentlich die Landesregierung als Miteigentümerin so lange dem betrügerischen Treiben des Managements zugeschaut?«

Doch nicht nur in punkto Volkswagen-Affäre blickt Gysi kritisch auf die Landesregierung: »Man merkt ja, dass Rot-Grün die letzten viereinhalb Jahre zwar einiges auf den Weg gebracht, aber nicht viel geschafft hat.« Vor CDU und FDP warnte der Gast: Diese Parteien würden in Niedersachsen einen Kurs steuern, der nicht an den Menschen, sondern an der Wirtschaft ausgerichtet sei. »Und ich glaube, das ist das, was die Leute heute dazu bewegt, zu sagen: die LINKE muss wieder in den Landtag«, sagte Gysi. Der Spitzenpolitiker betonte: Vielleicht müssten Linkspartei und SPD mal »ein bisschen aufeinander zugehen«. Auch Stephan Weil sollte wissen, wie wichtig es ist, »dass neben der SPD auch die Linke im Landtag sitzt.«

Weil indes hofft nach wie vor auf das Erreichen seines Wunschziels: eine starke SPD im Parlament, zum Regieren zusammen - wie bisher - mit den Grünen. Zur Seite stand dem Ministerpräsidenten sein Genosse Sigmar Gabriel, der für seine Partei warb: »Wir kümmern uns jeden Tag, nicht nur vier Wochen vor der Wahl.« Mit Weil ist auch SPD-Chef Martin Schulz durchs Land getourt. Er schließt eine rot-rot-grüne Koalition in Niedersachsen nicht aus, wolle dem Landesverband der Sozialdemokraten aber keine Vorschriften machen. »Über Koalitionen in den Ländern wird vor Ort entschieden, nicht in Berlin«, so Schulz gegenüber der »Nordwest-Zeitung«.

Niedersachsens Grünen-Fraktionschefin Anja Piel nutzte auch die letzten Tage vor der Wahl, ihrerseits ein Fortsetzen der rot-grünen Koalition als Wunschmodell darzustellen. Schließlich habe man zusammen gute Arbeit geleistet. Einer Zusammenarbeit mit den Grünen, de facto also einer Jamaika-Koalition, steht Stefan Birkner, Spitzenkandidat der FDP, wiederum skeptisch gegenüber. Zu verfahren sei das Verhältnis zwischen CDU und Ökopartei. Und eine Ampel? Schon gar nicht. Die Liberalen seien keine Mehrheitsbeschaffer »für eine abgewählte rot-grüne Landesregierung«.

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