Revolution und Wirtschaft
Irans Regierung versucht, die Verflechtungen der militärischen Garden in die Unternehmen zu zerschlagen
Die iranische Regierung hat damit begonnen, den enormen Einfluss der Revolutionsgarden auf die Wirtschaft einzudämmen: Viele Unternehmen müssen verkauft werden, mehrere Bosse werden der Korruption beschuldigt. Über 3000 Seiten umfasst die Anklageschrift; auf den gut 120 Seiten, die öffentlich zugänglich sind, wird beschrieben, wie aus einer militärischen Organisation ein Wirtschaftsimperium wurde, das fast alle Teile der Wirtschaft dominiert und 42 Prozent der iranischen Erwerbstätigen beschäftigt. Die Namen der Angeklagten sind nicht bekannt, doch es besteht kein Zweifel, worum es hier geht: Die Revolutionsgarden und ihre Wirtschaftsaktivitäten.
Seit Präsident Hassan Ruhani im Mai für eine zweite Amtszeit wiedergewählt wurde, versucht seine Regierung, den Einfluss der mächtigen militärischen Organisation zurück zu drängen: Mindestens 24 Geschäftsführer von Unternehmen, und 18 Funktionäre der Revolutionsgarden, darunter ein Brigadegeneral, wurden festgenommen.
Gleichzeitig ordnete das Parlament per Gesetz an, dass Etemad-e-Mobin, eine Holdinggesellschaft, die der Finanzabteilung der Revolutionsgarden namens Khatam al Anubia untersteht, alle Unternehmen verkaufen müsse, die in Iran eine Monopolstellung haben; Parlamentssprecher Ali Laridschani geht davon aus, dass bis zu 70 Prozent der Firmen abgestoßen werden müssen. Ajatollah Ali Khamenei unterzeichnete das Gesetz noch am selben Tag.
Nach der islamischen Revolution gegründet, um das islamische System gegen Putschversuche des eigenen Militärs oder durch ausländische Regierungen zu stärken, sind die Revolutionsgarden zum Machtapparat geworden, ohne den nichts mehr geht: Man hat 125 000 Mann unter Waffen; der Gesamtwert der Beteiligungen im Besitz von Etemad-e-Mobin wird von der Regierung auf über 100 Milliarden Euro geschätzt.
Einen »eigenen Staat mit der Waffe in der Hand«, nannte Ruhani das im Wahlkampf immer wieder, und gab damit eine Sorge wieder, die hinter vorgehaltener Hand oft zu hören ist: Ajatollah Chamenei ist 78 Jahre alt; seine Gesundheit angeschlagen. Man befürchtet, dass die Revolutionsgarden nach seinem Tod die Macht übernehmen könnten; schon jetzt beansprucht ihre Führung ein Mitspracherecht bei wichtigen politischen Entscheidungen, während man sich in die eigenen Handlungen nicht reinreden lässt. Dabei droht man offen damit, das Atomabkommen mit dem Westen zu torpedieren, von dem sich die Bevölkerung Aufschwung und bessere Lebensbedingungen verspricht.
Im Kern dreht sich alles um Etemad-e-Mobin und Ex-Präsident Mahmud Ahmadinedschad. Seine Regierung begann kurz nach der Wahl 2009 damit, Unternehmen zu privatisieren; dafür holte man Angebote ein, und wann immer Etemad-e-Mobin mitbot, wurden kurz vor Fristablauf alle anderen Bieter ausgeschlossen. Mehrere Privatunternehmen, die damals für den Telefonanbieter boten, legen Schreiben vor, in denen behauptet wird, die Firma sei »ein Sicherheitsrisiko« oder man habe »Zweifel an der ausreichenden Finanzkraft«. Am Ende ging das Telefonunternehmen für 25 Prozent des höchsten Gebots über den Tisch. Es sind eben jene Deals, die nun im Mittelpunkt der Anklage stehen.
Gleichzeitig wurde Etemad-e-Mobin mit einem undurchschaubaren Firmengeflecht im In- und Ausland zum Mittel der Wahl, um die internationalen Sanktionen zu durchbrechen; westliche Geheimdienste gehen davon aus, dass über diese Firmen auch nach dem Atomabkommen Material importiert wurde, das für das Nuklearprogramm genutzt werden kann. In Teheran möchte das zumindest niemand ausschließen. Als sicher gilt indes, dass ein Teil der Firmengewinne für Rüstungsgüter, die Unterstützung militanter Gruppen in Libanon, Jemen, Irak und im Gazastreifen ausgegeben wird. »Es ist bedenklich, dass es Bereiche gibt, in die die Regierung keinen Einblick hat«, sagte Ruhani: »Es ist eine Bedrohung unserer nationalen Sicherheit.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.