Im Sandkasten der Macht

Das 10. Impuls-Festival für zeitgenössische Musik startete mit der Uraufführung von »Spiel im Sand« in der Oper in Halle

  • Joachim Lange
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Oper in Halle ist mit ihrer Raumbühne »Heterotopia« eine Nominierung für den Theaterpreis »Faust« gelungen. Ähnlich wie bei Sarah Nemzows Dschihad-Oper »Sacrifice« und für Elfriede Jelineks »Wut« geht es auch bei der Uraufführung von »Spiel im Sand« um die Fernwirkungen, die die Verwerfungen im Nahen Osten in einer globalisierten Welt haben.

Ganz direkt trifft das auf den ersten Teil zu, zu dem die Chinesin Leyan Zhang eine Percussion-Komposition zu vorwiegend gesprochenen Passagen beisteuert, indirekt aber auch auf den Teil, in dem Hans Rotmans einen Text von Federico Garcia Lorca über die Mechanismen von Macht im Spanien Francos vertonte. Wird im ersten Teil gezeigt, wie Hass und Gewalt heute die Ausweglosigkeit der Lage im Nahen Osten bestimmen, fügt der zweite hinzu, dass wir in Europa auch nicht viel besser waren und sind.

Der eigentliche Zuschauerraum bleibt diesmal ausgeschlossen. Die vierte Wand dient als Projektionsfläche, auch für die Videos von Sascha Kummer. Die Musiker des Ishtar Ensembles und die Akteure teilen sich die Bühne und Seitenbühne. Die Zuschauer sitzen an zwei Seiten unmittelbar an der Spielfläche. Über der Spielfläche lässt Astrid Vehstedt (die für Text, Regie und Bühnenbild verantwortlich ist) eine Rakete schweben, aus der ein Speer ragt und Sand rieselt.

Der kürzere Teil des Abends führt direkt in den Nahen Osten von heute. Zwei uniformierte arabische Kämpfer (Bassim Al Tyaeb und Mohammed Ayad) putschen sich rhythmisch stampfend auf. Als sie auf einen spanischen »Helfer« (Amadeu Tasca) treffen, geraten sie in ihrer Sprache heftig darüber aneinander, wie sie mit dem Fremden verfahren sollten. Ein IS-Gotteskrieger (Martin Häßler) hält dem »Ungläubigen« die zivilisatorischen Großtaten der Araber von einst, den Anspruch auf Spanien und den Rest der Welt oder das »Recht« zu Töten vor - und das Messer an die Kehle.

Man fühlt, worum es in vier verschiedenen Sprachen geht und wüsste doch gerne etwas genauer, was sie sagen. Man erfährt es aber (leider) nicht. Wenn die beiden Araber in ihrer Sprache in Streit geraten, baut die Regie zudem auf das Spiel mit Klischees, um dann mit der Wunschvorstellung zu schließen, dass die Kämpfer doch nicht den Europäer köpfen, sondern ihre Waffe gegen den IS-Einpeitscher richten.

Mit der Verständlichkeit des Spanischen in dem Teil, für den Rotman die Musik komponiert hat, ist es nicht grundsätzlich anders. Lorcas poetisches Charisma scheint auf, manchmal auch in Deutsch an der Projektionswand. Die Geschichte spiegelt - nachvollziehbar durch Uniformen (Kostüme: Pia Wessels), Flagge und ein Porträt Francos - das perverse Spiel mit den Mechanismen der Macht in einer kleinen Geschichte um die Ankunft eines Fremden (Martin Häßler) wieder. Es geht um die Machtdemonstration eines Offiziers (Julie Martin du Theil), der von einem anderen (Amadeu Tasca) und dann von dem Fremden selbst hinterm Schreibtisch der Macht abgelöst wird.

Auch hier wird auf die Distanz des Geheimnisvollen gesetzt. So kann »Spiel im Sand« eben auch bedeuten: vom Winde verweht. Das Premierenpublikum würdigte das vokale Niveau und die engagierte Umsetzung ebenso wie das Anliegen wohlwollend.

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