Numerus clausus als Bumerang

Im Nordosten stehen 125 Arztpraxen leer - Schweriner Landtag debattiert über Auswege

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Schlaganfälle, Herzinfarkte, Krebs, Demenz und andere schwere Erkrankungen werden in Mecklenburg-Vorpommern parallel zum steigenden Alter der Bevölkerung deutlich zunehmen. Gleichzeitig, so mahnte SPD-Gesundheitsexperte Jörg Heydorn am Mittwoch im Schweriner Landtag, werde auch die Schar älterer Ärzte immer größer. Vor vier Jahren seien 219 der im Nordosten niedergelassenen Mediziner über 67 Jahre alt gewesen, bis 2030 werde sich diese Zahl auf nahezu 1800 erweitern, zitierte Heydorn ihm vorliegende Berechnungen. Wie lassen sich junge Menschen als Nachfolger der künftigen Ruheständler gewinnen? Dieser Frage widmete sich das Parlament im Rahmen einer Aktuellen Stunde.

Als Hemmschuh stelle sich potenziellen Medizinstudenten nach wie vor der Numerus clausus entgegen, kritisierte Sebastian Ehlers, wissenschaftspolitischer Sprecher der CDU. Gegen diese Regelung, die den Zugang zum Studium an eine extrem gute Abiturnote knüpft, laufe zur Zeit eine von zwei jungen Männern angestrengte Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Mit Spannung werde dessen Entscheidung erwartet, sagte Ehlers, denn: Auch mit einer Durchschnittszensur von 2,5 könne doch jemand ein guter Arzt werden, wenn er über gute soziale Empathie und soziale Kompetenz verfügt.

Mit einem 1,7-Abitur, so Ehlers, nehme wohl jedes Unternehmen einen Bewerber mit Kusshand, die Tür zum Medizinstudium bleibe ihm jedoch versperrt. Da sei es nicht verwunderlich, dass junge Menschen einen Studienplatz im Ausland suchen - und danach nicht nach Mecklenburg-Vorpommern zurückkehren, wo sie dringend gebraucht werden.

Immerhin sind im Land zurzeit 125 Hausarztpraxen frei, berichtete Gesundheitsminister Harry Glawe (CDU), und die Suche nach Nachfolgern dafür werde immer schwieriger. Um dem zu begegnen, habe die SPD/CDU-Landesregierung ein zunächst auf sechs Jahre begrenztes Stipendienprogramm im finanziellen Umfang von einer Million Euro aufgelegt. Davon bekommen Medizinstudenten, die sich verpflichten, nach dem Studium Hausarzt auf dem Lande zu werden, monatlich eine Beihilfe von 300 Euro. Sie brauchen dieses Geld nicht zurückzuzahlen.

Nicht effektiv sind diese Stipendien nach Ansicht von Torsten Koplin, gesundheitspolitischer Sprecher der Linksfraktion. Er erinnert an den »Masterplan Medizinstudium 2020«, den Glawe, sowie Ressortkollegen anderer Länder und der Bundesgesundheitsminister im Januar ausgehandelt hatten. Er besagt: Zehn Prozent aller Interessierten dürfen ohne Rücksicht auf den Numerus clausus und an allen Wartelisten vorbei ein Medizinstudium absolvieren, wenn sie sich zum zehnjährigen Praktizieren als Arzt im ländlichen Raum verpflichten. Bei den in Aussicht gestellten Stipendien kämen im kommenden Jahr in Mecklenburg-Vorpommern gerade mal 14 angehende Ärztinnen und Ärzte in den Genuss dieser Regelung, hat Koplin errechnet.

Der LINKE-Politiker fordert, dass das Stipendienprogramm finanziell besser ausgestattet wird. Weiter schlage die LINKE vor, mehr Studienplätze für Medizin an den Universitäten Greifswald und Rostock zu schaffen. »Sollte dies nicht möglich sein, möge die Einrichtung einer Medizinischen Hochschule in Mecklenburg-Vorpommern geprüft werden«, so Koplin. An einer solchen könnten auch Psychologen und nichtärztliche Fachkräfte ausgebildet werden. Möglich wäre auch eine Kooperation mit der Medizinischen Hochschule Brandenburg, meint der Abgeordnete.

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