Ausländer, wie sie Deutschland mag

Immer mehr Studierende aus dem Ausland lernen an deutschen Hochschulen. Die größte Gruppe stellen mittlerweile die Chinesen

  • Manfred Ronzheimer
  • Lesedauer: 5 Min.

Die deutschen Hochschulen sind bei ausländischen Studierenden so beliebt wie noch nie. Mehr als 355.000 nichtdeutsche Studierende sind in diesem Jahr an den hiesigen Universitäten und Fachhochschulen immatrikuliert, wie der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) in seiner im Sommer dieses Jahres veröffentlichten Datenstudie »Wissenschaft weltoffen« berichtete. Der Zustrom ist größer als erwartet: Eigentlich war erst für das Jahr 2020 erwartet worden, die Grenze von 350.000 zu überschreiten. In den letzten zehn Jahren erhöhte sich die Zahl der Gaststudierenden um 35 Prozent. Die Gesamtzahl aller Studierender in Deutschland liegt bei 2,8 Millionen.

Ein genauer Blick muss freilich zwischen den realen »Bildungsausländern« unterscheiden, die zum Studium nach Deutschland einreisen (251.000), und den »Bildungsinländern«, die in Deutschland mit Migrationshintergrund schon länger leben oder geboren sind, gleichwohl eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzen (89.000). Die Gruppe der Bildungsausländer wächst indes viel stärker.

Nach Angaben des DAAD liegt Deutschland auf Platz 5 der beliebtesten Länder für internationale Studierende - nach den USA, Großbritannien, Australien und Frankreich. Nach ihren Herkunftsländern kommt die größte Gruppe ausländischer Studierender in Deutschland aus China (Anteil von 13 Prozent) vor Indien (sechs Prozent) und Russland (fünf Prozent).

Global gesehen, nimmt die akademische Mobilität ebenfalls zu. So lernten 2014 insgesamt 4,3 Millionen Studierende außerhalb ihres Heimatlandes, ein Anstieg um rund 300 000 gegenüber dem Vorjahr. Der internationale Wettbewerb um die besten Talente nimmt an Fahrt auf. Die Ausländerquote an den deutschen Hochschulen insgesamt liegt bei 12,3 Prozent, wobei die Universitäten einen höheren Anteil aufweisen (13,4 Prozent) als die Fachhochschulen (10,4 Prozent). Unter den Bundesländern hat Berlin mit 14,7 Prozent den höchsten Anteil von Studierenden aus dem Ausland, gefolgt von Sachsen und Brandenburg.

»Die Internationalisierungsstrategie unserer Wissenschaftspolitik beginnt zu greifen«, betont Bundesbildungsministerin Johanna Wanka. »Das deutsche Wissenschafts- und Hochschulsystem ist global aufgestellt, global vernetzt und im besten Sinne weltoffen«, so die CDU-Politikerin. Eine Besonderheit stellt für die Ministerin die Breite der Herkunftsländer dar. So stammen 50 Prozent der »Bildungsausländer« in Deutschland aus 13 Ländern. In den USA wird der gleiche Anteil von nur drei Ländern beschickt.

Am gefragtesten in Deutschland sind die Ingenieurwissenschaften: 90.000 Studierende aus dem Ausland haben die Technikfächer belegt. Die zweitgrößte Fächergruppe mit 86.000 Studierenden sind die Rechts- Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Die Geisteswissenschaften folgen mit 32.000 der »Bildungsausländer«, die Mathematik und die Naturwissenschaften mit 26.000 sowie die Medizin mit 14.000.

In der umgekehrten Richtung sind die deutschen Studenten ebenfalls mobil: 38 Prozent von ihnen gehen während ihres Studiums entweder zeitweilig ins Ausland oder machen sogar ihren akademischen Abschluss dort. Die Favoritenländer sind allerdings überwiegend europäisch, mit führender Position der deutschsprachigen Nachbarstaaten. Platz 1 belegt Österreich, gefolgt von den Niederlanden, der Schweiz, Großbritannien, Frankreich und Spanien. Erst dann kommen die USA, in die es zwölf Prozent der deutschen Studenten zieht. Nach China gehen vier Prozent.

Noch stärker hat Deutschland bei den Forschern an Attraktivität gewonnen. Sie arbeiten nach ihrer akademischen Grundausbildung überwiegend in Forschungsprojekten deutscher Wissenschaftseinrichtungen, sind aber auch in der Lehre tätig. Nach der DAAD-Statistik, die aus den Basiszahlen des Statistischen Bundesamtes vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) aufbereitet wurden, waren im Jahr 2015 rund 43.000 ausländische Wissenschaftler an deutschen Hochschulen angestellt, darunter 3100 mit Professorentitel. Gegenüber den 36.000 Forschern im Jahre 2012 ist das ein starker Anstieg. Inzwischen kommen elf Prozent des wissenschaftlichen Personals aus dem Ausland. Insgesamt hat sich die Zahl der ausländischen Wissenschaftler in Deutschland in den letzten zehn Jahren um 74 Prozent erhöht.

An den außeruniversitären Einrichtungen hatten 2014 rund 9000 Forscher einen Vertrag. Die meisten von ihnen (4200) sind an den Instituten der Helmholtz-Gemeinschaft beschäftigt. In der außeruniversitären Forschung scheint jedoch die »Sättigungsgrenze« erreicht zu sein, denn gegenüber dem Vorjahr war der Ausländer-Anteil leicht rückläufig.

Ein Drittel der Forscher kommt aus Westeuropa; Asien folgt mit 17 Prozent und Mittel-/Osteuropa mit 15 Prozent. Die führenden Herkunftsländer sind Italien, China, Österreich und die USA.

Flüchtlinge haben nur einen geringen Anteil an den Bildungsströmen. In Deutschland wurden 2016 über das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Programm »Integra« 6600 Geflüchtete in die Hochschulen integriert. Ein Problem, das die Bildungsexperten weiter beschäftigt, sind die hohen Abbrecherquoten bei den ausländischen Studierenden. Von den Bachelor-Studenten brechen 41 Prozent ihr Studium vor dem Abschluss ab. Bei den deutschen Kommilitonen sind es »nur« 29 Prozent, was ebenfalls noch viel ist. Bei den Master-Studenten schaffen es unter den Ausländern 28 Prozent nicht bis zum Ende, von den Deutschen 15 Prozent. »Dies verlangt noch weitere Ursachenanalyse«, heißt es beim DZHW dazu. Da das deutsche Studium in der Regel deutlich selbstbestimmter ist als verschulte und stärker reglementierte Studiengänge in den Heimatländern, zeichnet sich allerdings jetzt schon ab, dass mehr Mentoring und begleitende Studienunterstützung zur Senkung der Abbrecherquote helfen kann.

Politischer Streit zeichnet sich in der Frage der Studienfinanzierung ab. Während die deutschen Studierenden für den Lerntrip ins Ausland in der Regel Hochschulgebühren zahlen müssen, war hierzulande das Kostenlos-Studium bislang Standard. Nachdem aber in Baden-Württemberg und in Nordrhein-Westfalen von Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer eingeführt wurden, zeichnen sich Konflikte ab, die mit hoher Wahrscheinlichkeit vor Gericht enden werden. In Baden-Württemberg gingen in diesen Tagen die ersten Klagen gegen die Uni-Maut bei den Gerichten ein.

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