Strich statt Schutz

Das ZDF-Magazin »Frontal 21« berichtet von einem Zuhälter-Netzwerk in Asylunterkünften

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 3 Min.

»Ab 16 Jahre aufwärts, je jünger, umso teurer.« Unumwunden gesteht ein Mitarbeiter einer Securityfirma, die in Berlin für mehrere Flüchtlingsheime zuständig ist, gegenüber dem Nachrichtenmagazin »Frontal 21«, dass er als Zuhälter für junge Flüchtlinge tätig ist. 20 Euro würde er für jede Vermittlung kassieren. Er spricht von einem regelrechten Zuhälternetzwerk. Sicherheitsleute bauten den Erstkontakt auf und überredeten Flüchtlinge zur Prostitution, erzählt er in dem Bericht.

Eigentlich sollen Sicherheitsleute in Flüchtlingsheimen »eine hohe soziale und Diversity-Kompetenz und einen toleranten Umgang mit den in der Unterkunft untergebrachten Personen aufweisen«. Außerdem müssen sie ein einwandfreies erweitertes Führungszeugnis vorlegen sowie einer Überprüfung durch den Verfassungsschutz zustimmen. So steht es zumindest in den Qualitätsanforderungen vom Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) für den Betrieb von Unterkünften.

Trotzdem wenden sich regelmäßig UnterstützerInnen, Geflüchtete und MitarbeiterInnen von Beratungsstellen an den Flüchtlingsrat Berlin und berichten von Problemen mit dem Sicherheitspersonal. Die Beschwerden reichten von Diskriminierung über körperliche Misshandlung bis hin zu sexueller Nötigung der Schutzsuchenden durch das Wachpersonal, heißt es in einem Bericht des Flüchtlingsrates aus dem Jahr 2016. Hinweise, dass Wachmänner Geflüchtete zur Prostitution drängten, habe man bislang jedoch nicht erhalten, sagt Martina Mauer vom Flüchtlingsrat.

Auch Bernd Mesovic, Rechtspolitischer Sprecher der Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl, ist wenig überrascht, dass ausgerechnet Sicherheitsleute Flüchtlinge in den Unterkünften in die Prostitution vermittelt haben sollen. »Es ist weiterhin so, dass die Security kein gut kontrollierter Bereich ist«, sagt Mesovic dem »nd«. Vielfach seien die Mitarbeiter »die heimlichen Machthaber in den Unterkünften«. Die Flüchtlinge trauten sich oft nicht, Beschwerde einzulegen, da sie aus den Unterkünften nicht einfach ausziehen könnten und dem Sicherheitspersonal ausgeliefert seien. Generell seien große Flüchtlingsheime Krisenherde aller Art.

Es sei schlimm, wenn Schutzsuchende auch in Deutschland wieder zu Opfern sexueller Gewalt werden, nachdem viele von ihnen bereits in ihrem Herkunftsland oder auf der Flucht sexuell missbraucht oder vergewaltigt wurden. »Viele mussten sich schon auf der Flucht prostituieren, um weiterzukommen, oder wurden sexuell erpresst«, erzählt Mesovic.

Eine der Unterkünfte, in denen Flüchtlinge von Sicherheitsmitarbeitern in die Prostitution vermittelt worden sein sollen, ist die Notunterkunft im Rathaus Wilmersdorf. Die Flüchtlingsinitiative »Freiwillige Helfen im Rathaus Wilmersdorf« zeigt sich schockiert. »Dass ausgerechnet die verletzlichsten aller Menschen in einem solchen Schutzraum sexuell genötigt und ausgebeutet worden sein sollen, verurteilen wir aufs Schärfste und fordern sofortige und kompromisslose Konsequenzen«, heißt es in einer Pressemitteilung.

Offen bleibt, wie den Kontrollbehörden diese Vorgänge verborgen bleiben konnten. Die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales und das LAF würden den Verdacht einer organisierten Prostitution in der Notunterkunft im Rathaus Wilmersdorf sehr ernst nehmen, hieß es am Mittwoch in einer gemeinsamen Stellungsnahme. Die für die Ermittlungen zuständigen Stellen seien in Kenntnis gesetzt worden. Man könne jedoch nur dagegen vorgehen, wenn man konkrete Hinweise auf Fälle habe. Der Verdacht habe sich bisher allerdings nicht bestätigt.

Dennoch wolle man Maßnahmen entwickeln, um »Geflüchtete präventiv besser vor möglicher kriminell aufgezogener Prostitution schützen zu können und sie umfassender aufzuklären«, heißt es weiter. Die neuen Ausschreibungen für das Betreiben von Unterkünften stellten bereits höhere Anforderungen an die Sicherheitsfirmen. Darüber hinaus sollen MitarbeiterInnen von Flüchtlingsunterkünften in speziellen Schulungen sensibilisiert werden, Anzeichen für Missbrauch und Prostitution zu erkennen. In einem Qualitätszirkel sollen nun weitere Maßnahmen erörtert werden.

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