- Sport
- SV Werder Bremen
Bremen steckt in der Trainerfalle
Nach der Entlassung von Alexander Nouri sucht der SV Werder den nächsten Retter
Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. In hoher vierstelliger Zahl markierten Facebook-Nutzer die über die vereinseigenen Social-Media-Kanäle des SV Werder am Montagmorgen verbreitete Nachricht, dass der Bundesligist seinen Trainer Alexander Nouri freigestellt habe, mit dem »Gefällt-mir«-Button. Darunter alsbald auch Felix Wiedwald. Die Botschaft wollte der zu Leeds United abgeschobene Torwart wohl noch loswerden. Wobei: Dass der Bremer Bundesligist in eine historische missliche Lage geschliddert ist - sieglos nach zehn Spieltagen, nur drei geschossene Tore - hat am allerwenigsten mit der Besetzung zwischen den Pfosten zu tun. Die Mängel mögen in allen Mannschaftsteilen eklatant sein, aber Wiedwald-Nachfolger Jiri Pavlenka ist seit Wochen der einzige, der uneingeschränkt Erstligaansprüchen genügt.
Und doch verdient der kleine Seitenhieb von der Insel Beachtung. Denn Nouri verstieß vergangenen Sommer ja nicht nur einen im Verein ausgebildeten Torwart, sondern auch den geschätzten Assistenten Florian Bruns, der hernach sofort beim SC Freiburg unterkam. Der Co-Trainer war dem sehr auf Eigenprofilierung bedachten Chef zu beliebt geworden. Immerhin verabschiedete sich Nouri noch stilecht: Er gehe »demütig und dankbar« - für eine bewegende Zeit, schrieb der 38-Jährige später, nachdem er das Weserstadion verlassen hatte.
Die Vorbereitung auf das Spiel am kommenden Freitag bei Eintracht Frankfurt bekam ein alter Bekannter übertragen: Florian Kohfeldt rückt von der U23 auf und wird von Ex-Profi Timo Borowski unterstützt. »Wir sind der Überzeugung, dass dieses Trainerteam einen wichtigen Impuls setzen kann«, teilte Geschäftsführer Frank Baumann mit. In dieser Lösung verbirgt sich das Kardinalproblem der viel beschworenen Werder-Familie: Kohfeldt als Jahrgangsbester der Fußballlehrer-Ausbildung 2015, früher Torwart im Bremer Amateurbereich, arbeitete bereits als Assistent von Viktor Skripnik. Nach dessen Entlassung durfte der 35-Jährige das Drittligateam übernehmen, während Frings aus Loyalität gegenüber seinem Freund Skripnik eine Weiterbeschäftigung ablehnte und danach beim SV Darmstadt 98 seine Bestimmung fand. Eigentlich kann das Kohfeldt-Konstrukt nur eine Zwischenlösung sein, aber Baumann schließt auch eine Daueranstellung nicht aus.
Damit würde der 42-Jährige allerdings selbst alles auf eine Karte setzen, nachdem der Ehrenspielführer die Grün-Weißen in eine Trainerfalle manövriert hat. Zweimal sind in seiner Amtszeit mit einer Vertragsverlängerung belohnte Nachwuchstrainer krachend an der Herausforderung gescheitert, nach emotionalen Rettungsakten, die nicht unerheblich auf die besondere Symbiose zwischen Verein, Stadt und Anhängerschaft zurückgingen, eine nachhaltige Entwicklung einzuleiten. Sowohl bei Skripnik als auch Nouri tauchten genügend Alarmsignale auf, die der Manager geflissentlich ignorierte.
»Wir werden den Markt genau beobachten und uns auch mit Trainern beschäftigen, die woanders unter Vertrag stehen«, sagt Baumann nun. Markus Weinzierl, Marcel Koller, Holger Stanislawski oder Bruno Labbadia wären sofort verfügbar. Den einst selbst in Bremen stürmenden Labbadia hielten viele für einen geeigneten Kandidaten, aber in Onlineabstimmungen erreicht der gebürtige Hesse wegen seiner Hamburger Vergangenheit (und Verbundenheit) die geringste Zustimmung. Eine gewaltige Mehrheit würde hingegen Thomas Schaaf bekommen, der auf der Mitgliederversammlung am 20. November ohnehin als Technischer Direktor installiert werden soll.
Vorschnelle Befürworter dieser Retro-Variante verkennen, wie weit der 56-Jährige sich vor allem in seiner Ansprache von der aktuellen Spielergeneration entfernt hat. Sowohl bei Eintracht Frankfurt als auch Hannover 96 gab es immense Verständigungsschwierigkeiten. Baumann betont einerseits, der Neue müsse keinen Stallgeruch haben, beteuert andererseits, er solle »mit seiner Art nach Bremen und zu Werder passen«. Damit sind fast alle Optionen möglich.
Mit der Länderspielpause nach dem Frankfurt-Spiel ist der Zeitdruck zwar nicht mehr ganz so groß, der Erfolgsdruck hingegen schon. Der durch einen Abstieg eintretende Substanzverlust könnte den wirtschaftlich wieder konsolidierten Verein von der Weser in seinen Grundfesten erschüttern. Die aktuelle sportliche Lage ist jedenfalls alarmierend: Zuletzt ging fast gar nichts mehr in einer Mannschaft, die unter Nouri wegen ihrer defensiven Grundordnung (mit drei Innenverteidigern), sich in ihren offensiven Lösungsmöglichkeiten selbst limitierte und durch fehlende Erfolgserlebnisse verunsichert auftrat. Zudem verriet sie die ursprüngliche, offensive Klub-DNA so komplett, dass das treue Publikum bei der 0:3-Heimpleite gegen den FC Augsburg die Spieler verspottete.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.