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Grenzen für die Globalen
Weltweit tätige Konzerne müssen auch überall Verantwortung für Mensch und Umwelt übernehmen, meint Sarah Lincoln
Das Unterfangen ist ambitioniert und hoch umstritten: Um transnationale Unternehmen in die Verantwortung zu nehmen, haben in der vergangenen Woche mehr als 100 Staaten bei den Vereinten Nationen in Genf über ein internationales Abkommen verhandelt. Es geht um nichts Geringeres als die Vereinbarung verbindlicher Regeln für globale Geschäfte und ihre Auswirkungen auf Arbeits- sowie Menschenrechte und Umweltstandards.
Diesen Prozess hat Ecuador im Jahr 2014 angestoßen. Auslöser war der gescheiterte Versuch, den US-Ölmulti Chevron für Ölverschmutzungen im Amazonas zur Rechenschaft zu ziehen. Bereits 1993 verklagten Betroffene aus dem Amazonasgebiet den Konzern in den USA wegen der Zerstörung von mehr als 450 Hektar Regenwald durch giftige Ölrückstände. Nach neun Jahren verwies das US-amerikanische Gericht den Fall zurück nach Ecuador, wo Chevron schließlich 2011 zur Zahlung von neun Milliarden Dollar Schadenersatz verurteilt wurde. Daraufhin zog der Konzern sämtliche Vermögenswerte aus Ecuador ab, so dass das Urteil nicht vollstreckt werden konnte. Gleichzeitig erstritt Chevron vor einem internationalen Schiedsgericht eine einstweilige Verfügung, die Ecuador die Vollstreckung des Urteils untersagt. Das Schiedsgericht sah durch das Schadenersatzurteil die Investorenrechte des Konzerns aus dem bilateralen Investitionsschutzabkommen zwischen den USA und Ecuador verletzt. Bis heute haben die Opfer der Umweltkatastrophe im Amazonasgebiet keinen Cent Schadenersatz vom Ölkonzern erhalten.
Deutlich wird hier ein eklatantes Ungleichgewicht: Für die global tätigen Unternehmen gibt es längst ein funktionierendes internationales Rechtssystem mit zahlreichen Freihandels- und Investitionsschutzabkommen. Die Unternehmen können ihre Rechte vor internationalen Schiedsgerichten durchsetzen. Für Betroffene von Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzungen gibt es nichts dergleichen. Wenn Unternehmen im Ausland die Rechte von Arbeiterinnen und Arbeitern verletzen, die lokale Bevölkerung von ihrem Land vertreiben oder Schäden für Umwelt und Gesundheit verursachen, bleibt dies für sie häufig ohne Folgen. In vielen Ländern fehlt es an einer unabhängigen Justiz; wirtschaftliche Interessen haben ein höheres Gewicht als soziale Belange; Staat und Wirtschaft sind oft eng verbandelt.
Und auch in den Heimatländern der beteiligten Konzerne scheitern die Betroffenen: Indem transnationale Unternehmen über ein komplexes Netz an Tochterunternehmen und Zulieferern agieren, entziehen sie sich jeder rechtlichen Verantwortung.
Auf internationaler Ebene konnte man sich bislang nur auf freiwillige Standards der Unternehmensverantwortung einigen, auf die sich Betroffene vor Gericht nicht berufen können.
Doch das sollen die derzeit laufenden Verhandlungen ändern. In der dritten Runde letzte Woche hat Ecuador bereits konkrete inhaltliche Vorschläge für ein internationales Abkommen präsentiert: Unternehmen sollen verpflichtet werden, in ihren globalen Geschäften die Menschenrechte zu achten. Betroffene sollen effektive Klagemöglichkeiten erhalten. Oder wie es in der Präambel des ecuadorianischen Vorschlags heißt: Menschenrechte sollen künftig Vorrang vor Investitionsschutz genießen.
Bei den großen Industrienationen stößt das auf wenig Gegenliebe: Kanada, die USA, die EU und Japan stimmten bereits 2014 gegen die Einrichtung der Arbeitsgruppe. Die EU nahm zwar an der jüngsten Sitzung teil, tat aber alles, um den Prozess zu diskreditieren und eine Fortführung der Verhandlungen im nächsten Jahr zu verhindern. Unterstützung erhält Ecuador hingegen nicht nur von vielen Entwicklungs- und Schwellenländern, sondern auch von zahlreichen Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften weltweit. Allein letzte Woche in Genf waren mehr als 200 VertreterInnen der globalen Zivilgesellschaft anwesend und haben mit zahlreichen Fallberichten die Dringlichkeit verdeutlicht, den Aktivitäten transnationaler Unternehmen verbindliche menschenrechtliche Grenzen zu setzen.
Auch diesem Druck ist es zu verdanken, dass die Europäische Union den Prozess bislang nicht stoppen konnte und die Verhandlungen im nächsten Jahr in die nächste Runde gehen – dann hoffentlich mit einem Vertragsentwurf.
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