- Politik
- Umfragen
Wie ermitteln Wahlforscher die Wählerwanderung?
Anmerkungen zu erstaunlichen Zahlen und wie sie zustande kommen
»Bitte erklären Sie, wie sogenannte Parteienforscher wissen können, wer von Partei A zu Partei B wandert. Mir erscheint es nicht erklärbar, wie man vom Wähler der Linken zum AfD-Wähler mutieren kann.« Jürgen Lange, Berlin
Die meistgenutzte Methode für die Ermittlung der Wählerwanderung ist die Analyse von Individualdaten aus Umfragen. Dabei fragen Forscher in sogenannten »Exit Polls« am Wahltag Wähler, welche Partei sie gerade gewählt haben und welche sie bei der letzten Wahl vor vier Jahren wählten.
Aus dem Vergleich der Antworten von in der Regel 1000 repräsentativ Befragten werden dann die Zahlen auf die Gesamtbevölkerung »hochgerechnet«. Infratest Dimap ermittelte so nach der Bundestagswahl etwa, dass 470.000 ehemalige SPD-Wähler und 400.000 Menschen, die 2013 für die LINKE stimmten, nun für die AfD votierten.
Ein Problem bei solchen Umfragen ist der sogenannte »false recall«, also dass sich Menschen - aus verschiedenen psychologischen Gründen - falsch erinnern, wo sie vor vier Jahren ihr Kreuz gemacht haben. Laut einer Studie von YouGov können das bis zu 39 Prozent sein.
Die Wählerwanderungsanalysen haben wie alle Umfragen eine gewisse Ungenauigkeit. Bei der Sonntagsfrage »Wen würden Sie wählen« liegt die bei zwei bis drei Prozent, doch selbst wenn sie im Fall Wählerwanderung bei 30 Prozent liegt, würde das bedeuten, das zwischen 250000 und 550000 LINKE-Wähler dieses Jahr für die AfD stimmten. Warum das so ist, ist eine andere Frage. Als Leser sollte man also diesen Zahlen mit einer gewissen Grundskepsis begegnen, aber falsch sind sie nicht. Das zeigt auch ein Blick auf die regionalen Stimmergebnisse: In vielen ehemaligen Hochburgen der LINKEN im Osten war die AfD recht stark.
In der ndcommune antworten nd-Redakteure auf Leserfragen. Die neue Beilage widmet sich immer am letzten Wochenende im Monat allem, was Leserinnen und Lesern mit ihrem »nd « verbindet.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.