Ärger mit dem Polizeinachwuchs

Über Anwärter aus Einwandererfamilien ist ein erbitterter Streit ausgebrochen

Die Anschuldigungen sind heftig - ein langjähriger Mitarbeiter des Landeskriminalamtes (LKA) hat in einem Schreiben an den Polizeipräsidenten Klaus Kandt geklagt, dass sich die Einheiten inzwischen für kriminelle Clans geöffnet hätten. Der anonyme Verfasser schreibt: »Bewerber aus diesen Großfamilien werden - trotz Strafakte - in der Polizei angenommen.« Insbesondere zielt der LKA-Mitarbeiter damit auf die Polizei-Vizepräsidentin Margarete Koppers ab, die sich dafür eingesetzt hat, vermehrt junge Menschen mit Migrationshintergrund einzustellen. Jeder dritte Auszubildende bei der Polizei hat derzeit einen solchen Hintergrund.

Eher unwillig äußerte sich Kandt zu dem Brief. Es sei nicht das erste Mal, dass ihm ein anonymes Schreiben eines angeblichen Mitarbeiters der Polizei zugespielt wurde. Den Inhalt hält er allerdings für haltlos, diffamierend und möglicherweise strafrechtlich relevant. Kandt betonte, dass die Polizei an einer »offenen Gesprächs- und Kritikkultur« festhalten wolle.

Zwei Tage vor dem anonymen Schreiben tauchte bereits die Audio-Wut-Rede eines Gastdozenten an der Polizeiakademie auf. »Der Klassenraum sah aus wie Sau, die Hälfte Araber und Türken, frech wie Sau, dumm, konnten sich nicht artikulieren«, heißt es darin. Polizeisprecher Thomas Neuendorf erklärte, der Dozent habe das erste Mal vor einer Klasse gestanden und sei mit einem 16-jährigen Polizeianwärter aneinandergeraten, der mit Mütze und Kapuze in der Klasse gesessen habe. Er habe den Schüler zur Rede stellen wollen, woraufhin dieser dann ausfällig geworden sei. Der Dozent habe sich eindeutig in einer überfordernden Situation befunden, so Neuendorf.

Die Frage bleibt aber, ob die Anschuldigungen haltbar sind. Gibt es in der Berliner Polizeiakademie, an der jährlich mehr als 1.200 Menschen ausgebildet werden, tatsächlich unhaltbare Zustände, wie sie der anonyme Brief und die Wortmeldung des Dozenten nahelegen? Oder haben sich in der Einrichtung einhergehend mit der Öffnung gegenüber Menschen mit Migrationserfahrungen, auch rassistische Tendenzen etablieren können?

Der Gewerkschaft der Polizei (GdP) ist seit geraumer Zeit bereits aufgefallen, dass sich solche Anschuldigungen häufen. »Das ist aber nichts Handfestes, sondern immer nur vom Hörensagen. Unser Problem ist, dass sich bei uns noch niemand gemeldet hat«, sagte GdP-Sprecher Benjamin Jendro. Auffällig sei aber, dass sich die Beschuldigungen immer gegen Menschen mit Migrationshintergrund richteten.

Erst im September tauchten an der Polizeischule Ruhleben ausländerfeindliche Parolen auf den Toilettentüren auf. »Fuck Islam, Refugees not welcome! Deutsche, stoppt die Islamisierung«, stand dort. Das LKA nahm die Ermittlungen auf, die Polizei verurteilte das Gekritzel und betonte, weltoffen zu sein.

Ihr Sprecher Neuendorf räumte nun aber ein, dass sich an der Akademie »gerade im Bereich der Disziplin, des Respekts und der gegenseitigen Rücksichtnahme« nicht alle so verhielten, wie das erwünscht sei. Hinlänglich bekannt sind Eskapaden an der Akademie. Sei es, dass ein Schüler bei einem Pornofilm mitgemacht hatte, andere handelten mit Drogen oder Diebesgut an der Schule.

Dies mögen Einzelfälle sein. Pro- bleme mit Schülern aus Einwandererfamilien scheint es aber in besonderer Weise zu geben. Darauf deutet ein internes Papier einer Besprechung der Polizeiführung hin, das der »Welt« vorliegt. Beklagt wird darin ein »herablassender Umgang mit weiblichen Angestellten wie Putzfrauen«, außerdem soll es Defizite beim Berufsethos geben. Bisweilen mangele es auch an Deutschkenntnissen, was eigentlich ein K.-o.-Kriterium für Bewerber sei. Wegen dieser Defizite gibt es an der Akademie bereits Deutsch-Nachhilfe.

Längst ist dies zum Politikum geworden. Tom Schreiber, Innenexperte der SPD im Abgeordnetenhaus, macht bei einem Teil des Polizeinachwuchses einen Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit aus - und fordert eine Qualitätsoffensive bei der Ausbildung. Dies dürfte jedoch schwierig werden. Die Behörde hat nämlich ein akutes Nachwuchsproblem. Nach Angaben der Senatsinnenverwaltung scheiden in den kommenden drei Jahren mehr als 2300 der rund 16 000 Polizisten aus dem Dienst aus. Das sind rund 200 mehr, als derzeitig ausgebildet werden.

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