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Pussy Riot warnt Amerikaner: Pop-Pöbeln gegen Trump
Die neuen Musikvideos von Pussy Riot kombinieren schwere politische Kost mit schriller Aufmachung
Polizisten, die auf die Puppen einprügeln, eingeschüchterte Kinder mit farbigen Sturmhauben, die dann am Ende doch trotzig die Faust hochrecken. Mit ihrem neuen bewusst poppigen Song richtet sich die russische Punkband an ein breites Publikum. »Ich bin so glücklich, ich könnte weinen«, singen die Pop-Punkerinnen von Pussy Riot im Refrain von »Police State«. Die drastischen Videobilder die einen amerikanischen Trailerpark zeigen, während die Ereignisse der Weltpolitik über die Bildschirme eines Videoüberwachungskontrollraums flimmern, stehen in krassem Kontrast zum scheinbar harmlosen Popstil der Songs.
Der wurde von der Band bewusst zum einjährigen Jubiläum des Wahlsiegs von Donald Trump veröffentlicht. In einer Mitteilung spricht Bandgründerin Nadya Tolokonnikova von einem »autoritären und autokratischen Trend, der sich, getragen durch konservative und rechte Politiker wie Donald Trump und Wladimir Putin, wie eine Geschlechtskrankheit auf der ganzen Welt ausbreite«. Was am 8. und 9. November 2016 tatsächlich »explodiert« ist, sei die Vorstellung vieler Menschen, man könne »gut Leben ohne sich die Hände mit Politik schmutzig zu machen«, schreibt Tolokonnikova in einem Statement zum Song auf Facebook.
Mit dem Popsong wollen die Punkerinnen eine Warnung an Amerika senden, speziell an Jugendliche in den USA. In der Vergangenheit seien Gewerkschafter und Bürgerrechtsaktivisten für ihre Überzeugungen gestorben, doch ihr Opfer habe die Welt verbessert, mahnt die Pussy-Riot Sängerin.
Frei nach John F. Kennedy zeigte sich Sängerin Tolokonnikova am Dienstag im amerikanischen Fernsehsender MSNBC als internationale Demokratie-Aktivistin: Die Menschen dürften nicht nur die Freiheiten der Demokratie genießen, sondern müssten sich auch fragen, was sie tun können, um dessen Institutionen zu schützen. »Trump tut das, was Putin schon seit 17 Jahren tut, so fängt es an«, warnte die Aktivistin, die zwei Jahre in Russland im Gefängnis saß.
Noch deutlicher und drastischer ist der Protest-Agit Prop in dem vor zwei Wochen veröffentlichten Video »Make America Great Again«. Zu lockerem Gitarrenpop wird – unterbrochen von einer Kollektion von Trump-Wahlkampf Redeausschnitten – schwere politische Kost in schrillen Farben serviert und die Trump-Agenda überspitzt zu Ende geführt.
Im Video wird Pussy-Riot Sängerin Tolokonnikova von zwei Trump-Polizisten festgenommen und mit einem glühenden Eisen als »Fremde« gebrandmarkt, anschließend mit dem glühenden Eisen als »fett« markiert, weil ihre Körpermaße nicht dem (neuen) pornografischen Frauenideal entspricht. »Keine kleinen Brüste mehr« verkündete eine fiktive trumpistische Nachrichtensprecherin – ebenfalls gespielt von Tolokonnikova. Außerdem wird die Gefangene als »perverse« Lesbe gebrandet, von den sadistischen Polizisten im Gefängnis missbraucht und von einem Arzt als »Abtreiberin« stigmatisiert.
Währenddessen tanzt die, als Trump verkleidete, Tolokonnikova in masturbatorischer Pose in einem fiktiven Oval Office um eine Fahne und zeigt breitbeinig-stolz Penis-Symbole auf dem Präsidentenschreibtisch. »Make America Great Again«, flüstert der Refrain dazu verführerisch. Dann folgt der Girlgroup-Gruppen-Refrain »Mama kommt aus Mexiko, Papa kommt aus Palästina, lasst die Leute rein, hört auf eure Frauen, hört auf schwarze Kinder zu töten«.
Doch tatsächlich wollen die feministischen Aktivistinnen Politik (wieder) sexy machen. Wenn jeder, »der Trump in den sozialen Netzwerken kritisiert habe, auf die Straße gehen würde, wäre dieser schnell Geschichte«, schreiben die Punkerinnen auf Facebook. »Wir müssen alternative politische Strukturen aufbauen« und »unsere gelernte Hilflosigkeit« aufgeben. Die Band selbst unterstützt zum Beispiel Gefangene in russischen Gefängnissen und setzt sich für bessere Haftbedingungen ein.
»Wir wollen ein Leben mit Lust und Spaß führen, auch wenn wir von Politikern umgeben sind, die nicht gesund für uns sind«, erzählt Tolokonnikova MSNBC-Moderator Lawrence O'Donnell. Die Aktivisten der 68er Generation hätten schließlich auch Spaß im Leben erfolgreich mit Protest kombiniert. »Wir müssen unser Alltagsleben wider mit Politik verbinden und Aktivismus nicht als langweilige Teilzeit-Pflichtübung, sondern als lustvollen Teil des Lebens betrachten«.
1968 sei ihr Lieblingsjahr erzählt Tolokonnikova noch. Am Ende des Interviews flirten Moderator und Sängerin miteinander, stellen fest, dass sie beide am gleichen Tag Geburtstag haben. »Wissen sie, wer heute noch Geburtstag hat«, fragt die russische Aktivistin und gibt dann selbst die Antwort: »Die russische Revolution«. Sie hat offenbar noch einiges vor.
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