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Ministerienverteilung: Wirtschaftslobby im Kabinett
Die Unionsparteien vergeben die Ministerposten an Erzkonservative und Neoliberale
Bei der Personalauswahl von CDU und CSU für die künftige Bundesregierung fällt auf, dass weniger Frauen dabei sind als erwartet. Dafür gibt es mit Katherina Reiche bislang eine einzige Ostdeutsche im Personaltableau der Unionsparteien. Sie hebt zugleich die Frauenquote der Unionsparteien bei deren neun wichtigsten Kabinettsposten auf ein Drittel. Mit Reiche wie auch dem Chef von Ceconomy, dem Mutterkonzern der Elektronikketten Media Markt und Saturn, Karsten Wildberger, wechseln gleich zwei Führungskräfte großer Unternehmen in die Regierung.
Bereits etwas vorfristig war am Sonntag bekannt geworden, dass der Außen- und Sicherheitsexperte Johann Wadephul aus Schleswig-Holstein Chef des Auswärtigen Amts werden soll, das damit nach fast 60 Jahren erstmals wieder an die CDU geht. Auch dass der bisherige CSU-Landesgruppenchef im Bundestag und frühere Verkehrsminister Alexander Dobrindt Innenminister wird, war keine Überraschung.
Das wichtige Wirtschaftsministerium wird der Energiemanagerin und früheren Staatssekretärin Katherina Reiche übertragen. Die 51-Jährige kommt aus dem brandenburgischen Luckenwalde und hatte für die CDU 1998 als 25-Jährige erstmals ein Bundestagsmandat gewonnen. Ihren Wahlkreis vertrat sie bis 2015 im Berliner Parlament. Die Mutter dreier Kinder hatte immer durch besonders konservative Wertvorstellungen von sich reden gemacht und sich gegen die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare gewandt. Auch ihr direkter Wechsel von der Politik in die Wirtschaft 2015 hatte für Schlagzeilen gesorgt.
Damals war sie Parlamentarische Staatssekretärin im Verkehrsministerium, von wo sie zum Verband kommunaler Unternehmen (VKU) wechselte. Das Kabinett Merkel beschloss seinerzeit gerade das Karenzzeit-Gesetz, das Regierungsmitgliedern beim Wechsel in die Wirtschaft eine verpflichtende »Abkühlphase« vorschreibt. Aktuell ist Reiche Chefin der Westenergie GmbH, einer Tochter des Energiekonzerns E.On. Zudem ist die Managerin seit Juni 2020 Vorsitzende des Nationalen Wasserstoffrates der Bundesregierung. Das Gremium soll die Umstellung großer Teile der Stromversorgung auf den Energieträger Wasserstoff beratend unterstützen.
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Zuvor war CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann als Anwärter auf das Wirtschaftsressort gehandelt worden. Er scheute aber wie andere Größen der Partei offenbar die Übernahme des Postens.
Manager Wildberger soll Digitalminister werden. Als Fachmann gilt er der Union, weil in den vergangenen Jahren die »digitale Transformation in Wirtschaft und Unternehmenswelt« sein Aufgabenbereich innerhalb der Ceconomy-Holding war. Von 2016 bis 2021 war der 55-Jährige zudem bereits beim Stromversorger E.On als Vorstandsmitglied für den digitalen Wandel zuständig.
Mit dem bisherigen Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Thorsten Frei (CDU), holt der künftige Kanzler Friedrich Merz einen engen Vertrauten in die Regierungszentrale. Der 51-Jährige soll Kanzleramtschef werden.
Eher unbekannt sind Patrick Schnieder aus Rheinland-Pfalz, der das Verkehrsressort übernehmen soll, und die für das Gesundheitsministerium nominierte baden-württembergische CDU-Generalsekretärin Nina Warken. Beide sitzen für die CDU im Bundestag.
Die Bundestagsabgeordnete und Vizechefin der CSU Dorothee Bär wird Ministerin für Forschung, Technologie und Raumfahrt. Bei ihr galt die Nominierung schon länger als sicher. Die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien übernimmt nun das Bundesbildungsministerium. Auch dies war erwartet worden. Dagegen kam die Berufung des Publizisten Wolfram Weimer zum Kulturstaatsminister im Kanzleramt völlig überraschend. Bislang galt der Berliner Kultursenator Joe Chialo als Favorit für dieses Amt.
»Das wird kein Kabinett des Fortschritts, sondern ein Kabinett des großen Geldes und der Aufrüstung«
Sören Pellmann Ko-Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag
Dass die frühere Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner kein Ressort bekommen würde, war klar, nachdem sich das langjährige Mitglied der CDU-Bundesspitze am 17. März zur Bundestagspräsidentin hatte wählen lassen. Jenseits eines viel kritisierten Werbeblocks für den Nestlé-Konzern war Klöckner als Mitglied des vierten Kabinetts von Angela Merkel (2018 bis 2021) bis in Die Linke hinein als Fachfrau anerkannt.
Mit Alois Rainer übernimmt nun ein völlig unbekannter CSU-Bundestagsabgeordneter das Agrarressort. Der zunächst von den Christsozialen favorisierte Präsident des bayerischen Bauernverbands, Günther Felßner, machte nach scharfer Kritik von Umwelt- und Tierschutzorganisationen einen Rückzieher.
Staatsminister im Auswärtigen Amt werden die CDU-Abgeordneten Serap Güler und Gunther Krichbaum sowie der CSU-Parlamentarier Florian Hahn. Die kultur- und medienpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Christiane Schenderlein aus Sachsen, wird als Staatsministerin im Kanzleramt für Sport und Ehrenamt zuständig sein. Dort soll zudem der CDU-Abgeordnete Michael Meister die Zusammenarbeit von Bund und Ländern koordinieren.
Der frühere Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) soll neuer Vorsitzender der Unionsfraktion werden und in diesem Amt Merz nachfolgen. Der 44-Jährige ist seit mehr als 20 Jahren Bundestagsabgeordneter und war lange als möglicher Minister im Gespräch.
Der Koalitionsvertrag von Unionsparteien und SPD erhielt am Montagnachmittag die Zustimmung der CDU, deren Bundesausschuss auf einem kleinen Parteitag in Berlin darüber entschied. Bei der CSU hatten Parteivorstand sowie CSU-Bundes- und Landtagsabgeordnete ihn bereits einstimmig gebilligt. Bei der SPD läuft an diesem Dienstag ein Mitgliedervotum aus. CDU-Chef Merz will sich am 6. Mai im Bundestag zum Kanzler wählen lassen. Er erhält dann von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seine Ernennungsurkunde. Die anderen Kabinettsmitglieder werden nicht vom Parlament gewählt, sondern direkt von Steinmeier ernannt.
Linksfraktionschef Sören Pellmann kommentierte das Personaltableau kritisch. »Das wird kein Kabinett des Fortschritts, sondern ein Kabinett des großen Geldes und der Aufrüstung«, sagte er am Montag in Berlin insbesondere mit Blick auf die Nominierungen von Reiche und Wildberger sowie die Personalien Dobrindt und Wadephul. mit Agenturen
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