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Ohne Tote kein Rücktritt
Hamburgs Bürgermeister sagt vor dem Sonderausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft zur Vorbereitung des G20-Gipfels aus
Im Publikum sind etliche Uniformen zu sehen, die Polizeiführung ist stark vertreten. Im Festsaal der Bürgerschaft hat sich zur dritten Sitzung des Sonderausschusses zum G20-Gipfel in Hamburg deutlich mehr als dessen 19 Mitglieder versammelt. Vor der Sitzung richten sich alle Kameras auf Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). Er ist eingeladen, um Rede und Antwort zu stehen zum ersten von drei Fragekomplexen rund um den G20-Gipfel: der Vorbereitungsphase.
Zum Missfallen der Oppposition hält Scholz zunächst einen längeren Vortrag – Fragen sind erst im Anschluss möglich. Nach dem gleichen Muster waren auch die Auftritte der politisch und polizeilich Verantwortlichen bei den vorigen Sitzungen des Ausschusses abgelaufen. Scholz habe nur wiederholt, was er in mehreren Bürgerschaftsitzungen zum Thema bereits gesagt habe, kritisiert André Trepoll, Fraktionsvorsitzender der CDU, deswegen nach der Einführungsrede von Scholz.
Immer noch geschwärzte Akten
Bevor die Befragung beginnt, merkt die LINKEN-Politikerin Christiane Schneider an, dass sie die nun entschwärzten Akten zum Komplex Verkehr während des Gipfels nicht mehr rechtzeitig habe durcharbeiten können. Sie habe zu kurzfristig von der Entschwärzung der Akten erfahren. Schneider spricht damit ein grundlegendes Problem der bisherigen Ausschussarbeit an: Die Polizeibeamten, welche die Akten für den Sonderausschuss zusammenstellen, tendieren dazu, im Zweifel zu Schwärzen. So kam es im September zu der bizarren Situation, dass der polizeiliche Rahmenbefehl über die Einsatzplanung der Polizei zum Gipfel für die Abgeordneten durchgehend geschwärzt wurde, obwohl er zwei Zeitungsredaktionen komplett ungeschwärzt vorlag.
In seinem Vortrag bemüht sich Bürgermeister Scholz in einigen Punkten hörbar um Transparenz, umschifft dabei aber gekonnt die zentralen Kritikpunkte, insbesondere der linken Opposition. Gleichzeitig rechtfertigt er sich gegenüber der CDU: »Es ist trotz aller Vorbereitungen nicht durchweg gelungen, die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten, nicht zu jedem Zeitpunkt und nicht überall«, so Scholz: »Dafür, dass dies geschehen ist, bitte ich die Hamburgerinnen und Hamburger um Entschuldigung.«
Eine fast gleich lautende Entschuldigung war bereits in der ersten Bürgerschaftssitzung nach den Gipfeltagen im Juli zu hören gewesen. »Die Angst, ja der Terror, die die Gewalttäter verbreitet haben, stecken vielen von uns noch in den Knochen, auch mir«, so Scholz. Aber: »Wir brauchen einen solchen Gipfel!« Unter einem beeindruckenden wandfüllenden Bild des Hamburger Hafens erklärt Scholz: »Als Welthandelsstadt sind solche Treffen für uns wichtig!«
Als ihn die Bundeskanzlerin im November 2015 vertraulich gefragt habe, ob Hamburg den G20-Gipfel während der turnusmäßigen deutschen Präsidentschaft ausrichten könne, habe er sich »gleich zustimmend geäußert«. Zweideutigkeit ist seine Sache nicht: »Wenn ich nein gesagt hätte, hätte die Kanzlerin dies akzeptiert.« Aber er hätte dies nicht richtig gefunden: »Mir ist Deutschland nicht egal, auch die Länder tragen Verantwortung.«
Gesamtkosten des Gipfels weiter unklar
Auch wenn Polizei Ländersache sei, würde der Bund nun Hamburg bei den Kosten des Gipfels unterstützen. Allerdings, räumt Scholz auf Nachfragen mehrerer Abgeordneter von FDP und CDU ein, sei bis jetzt noch nicht klar, wie teuer der Gipfel gewesen sei – die Gesamtkosten würden aber mitgeteilt, sobald sie fest stehen.
Zur Sicherheitslage habe es vor dem Gipfel zwei Treffen mit der Bundeskanzlerin gegeben, wo auch die Bundespolizei, der Verfassungsschutz, das Bundesinnenministerium und die Länderpolizeien vertreten gewesen seien. Auch beim zweiten Treffen, am 29. Mai 2017, hätten alle Beteiligten versichert, die Sicherheit für den G20-Gipfel sei gewährleistet und die Polizei habe die Lage im Griff. Außerdem »gab es eine sorgfältige Vorbereitung durch die Hamburger Polizei«.
Mehrfach betont Scholz, er stehe absolut hinter der Polizei, die sehr professionell gearbeitet hätte. Auch mit Gewalttätern sei gerechnet worden, aber nicht mit den Exzessen vom Freitag: Er habe nicht mit einem solchen Ausmaß »sinnloser Gewalt« gerechnet, »weil die Linksextremisten ja wollen, dass die Bevölkerung sich hinter sie stellt, so schwer ich mir dass auch vorstellen kann«.
Aktionen zivilen Ungehorsams als Gewalt dargestellt
So sei im Vorfeld auch erklärt worden, »den Hafen blockieren zu wollen, das Weltkapital stillzulegen, den Gipfel zu blockieren, auch die Anreise«, fasst Scholz im Ausschuss die Szenarien zusammen, auf welche die Polizei sich vorbereitet habe. Bezeichnend, dass Scholz hier die öffentlich bekannt gemachten Aktionen des kommunistischen »Ums Ganze«-Bündnisses im Hafen und die angekündigten Blockaden rund um die Messehallen seitens der »Interventionistischen Linken« zur militanten Bedrohung aufbauscht, obwohl es sich erklärtermaßen um symbolische Aktionen zivilen Ungehorsams handelte.
Einmal mehr verdeutlicht Olaf Scholz, wie sehr er der Eskalationsstrategie der Hamburger Polizeiführung unter Hartmut Dudde folgte. Dies wurde aus der gesamten Darstellung der Gipfelvorbereitung deutlich, die am Donnerstagabend von Lob für das Agieren der Polizei und Abscheu gegenüber einer von ihm als »Terror« klassifizierten linksradikalen Militanz gekennzeichnet ist. Auch auf mehrfache hartnäckige Nachfragen von Abgeordneten der Oppositionsparteien CDU, FDP und LINKE kam kein Eingeständnis von Scholz, dass er sich bei der Vorbereitung des G20-Gipfels von einer Selbstüberschätzung der Hamburger Polizeiführung hat täuschen lassen.
»Die selbstherrlichen Aussagen hat er zwar zum Teil zurückgenommen«, so LINKEN-Politikerin Schneider: »Aber Scholz ist nicht bereit, sich ernsthaft damit auseinander zu setzen, wie es zu diesen Fehleinschätzungen kommen konnte.« Nur in einer Extremsituation, die zum Glück nicht eintrat, wäre er zurückgetreten, so Scholz: Wenn es bei den G20-Krawallen ein Todesopfer gegeben hätte. Auf eine Frage der Fraktionsvorsitzenden der LINKEN, Cansu Özdemir, erklärte Scholz: »Ich hätte die Konsequenz ziehen müssen, auch wenn klar gewesen wäre, dass ich nichts falsch gemacht habe.«
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