Letzte Sondierungswoche beginnt mit Kompromisssignalen

Spahn stellt Grünen Einigung bei Familiennachzug in Aussicht / Gemeinsames Terrorabwehrzentrum (GTAZ) von Bund und Ländern soll reformiert werden

  • Lesedauer: 4 Min.

Berlin. Die voraussichtlich letzte Jamaika-Sondierungswoche beginnen die Koalitionsunterhändler mit Kompromisssignalen. Die Arbeitsgruppe »Innen, Sicherheit, Rechtsstaat« einigte sich darauf, das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum (GTAZ) von Bund und Ländern zu reformieren. Und in der CDU-Delegation zeigt man sich bereit, beim Familiennachzug von Flüchtlingen auf die Grünen zuzugehen. CDU, CSU, FDP und Grünen bleiben mit den an diesem Montag anstehenden Gesprächen in kleiner Runde nur noch vier Tage, um ihre Sondierungen wie angekündigt am Donnerstag abzuschließen. Danach wollen sie über die Aufnahme förmlicher Koalitionsverhandlungen entscheiden.

Der Auftakt der dritten Sondierungsphase mit der Runde der Chefunterhändler war am Sonntagabend nach sieben Stunden zu Ende gegangen, ohne dass konkrete Ergebnisse bekanntwurden. Das Klima wurde danach aber als gut beschrieben. CSU-Chef Horst Seehofer sagte: »Alles im Plan.«

Lesen Sie auch: Und sie bewegen sich noch nicht – Aert van Riel zum Unmut der Grünen über die Sondierungsgespräche

Zum Terrorabwehrzentrum GTAZ heißt es im Sondierungspapier der Expertengruppe, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt: »Die gemeinsamen Zentren von Bund und Ländern sollen nicht nur dem Austausch von Informationen dienen, sondern - rechtlich sauber geregelt - verbindliche Absprachen gewährleisten.«

Einig sind sich die Jamaika-Unterhändler demnach auch über eine stärkere Koordinierungsfunktion des Bundeskriminalamts und des Bundesverfassungsschutzes bei der Terrorabwehr. Das Vorhaben ist auch eine Konsequenz aus dem Berliner Weihnachtsmarkt-Anschlag vor knapp einem Jahr mit zwölf Toten. Der Attentäter Anis Amri war als islamistischer Gefährder bekannt, dennoch wurde seine Terrortat nicht verhindert.

Uneinig sind die Jamaika-Unterhändler dagegen bei der Kontrolle der Geheimdienste. FDP und Grüne wollen sie deutlich mehr stärken als die Union.

Zum Thema Familiennachzug sagte der CDU-Unterhändler Jens Spahn dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Montag): »Wer legal ins Land kommt, sich anpasst, Deutsch lernt, Arbeit hat und so beweist, dass er Teil dieser Gesellschaft sein will, soll auch dauerhaft bleiben dürfen und erleichtert die Möglichkeit zum Familiennachzug erhalten.« Das Thema ist ein Knackpunkt der Gespräche. Der Familiennachzug ist für Flüchtlinge mit beschränktem (subsidiärem) Schutzstatus bis März 2018 unterbunden - die Grünen wollen ihn wieder ermöglichen, die Union bremst bisher.

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller, der für die CSU mit verhandelt, verlangte eine starke Beschränkung des Familiennachzugs. Für ein Einwanderungsgesetz zeigte er sich in der »Passauer Neuen Presse« (Montag) unter Bedingungen offen: »Wir können uns auf ein Einwanderungsgesetz verständigen mit festen Quoten für legale Einwanderung. Illegale Einwanderung darf es in Zukunft nicht mehr geben.«

Vor dem Treffen am Sonntagabend hatten besonders FDP und Grüne mehr Bewegung in den Gesprächen verlangt und darauf verwiesen, dass sie in Vorleistung gegangen seien. Die CDU-Vorsitzende, Kanzlerin Angela Merkel, betonte die Möglichkeit von Kompromissen: »Es wird ein noch durchaus großes Stück Arbeit. Aber aus meiner Sicht kann bei gutem Willen auch eine Lösung erzielt werden.«

Die FDP will eine Senkung der Sozialbeiträge um bis zu 0,7 Prozentpunkte durchsetzen. Bürger und Unternehmen könnten so »um bis zu zwölf Milliarden Euro über Beitragssenkungen entlastet werden«, sagte ihrer Mit-Unterhändler, Fraktionsvizechef Michael Theurer, der »Bild«-Zeitung (Montag). Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung könnten um 0,5 Punkte, die für Kranken- und Pflegekassen um je 0,1 Punkte gesenkt werden.

Ein weiteres FDP-Ziel ist eine Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes, wie Theurer den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sagte. Es sollte an die EU-Arbeitszeitrichtlinie angepasst werden. Diese sieht statt einer täglichen Höchstarbeitszeit von acht Stunden eine wöchentliche Maximaldauer von 48 Stunden vor - acht Stunden mehr als jetzt, allerdings einschließlich Überstunden.

In der Schlussrunde versuchen die Chef-Unterhändler von diesem Montag (11.00 Uhr) an, in jeweils einstündigen Beratungen Kompromisse zu den einzelnen Themenblöcken zu finden. Merkel, Seehofer, FDP-Chef Christian Lindner, sein Vize Wolfgang Kubicki sowie das Grünen-Spitzenduo Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir sondieren zusammen mit den jeweils zuständigen Berichterstattern der Parteien. dpa/nd

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.