Gedenken in Paris
Angehörige klagen über nicht eingehaltene Zusagen
Präsident Emmanuel Macron hat am Montag gemeinsam mit seinem Vorgänger François Hollande an den Orten der islamistischen Terroranschläge vom 13. November 2015 der 130 Todesopfer gedacht. Ihren Angehörigen sowie den 683 Verletzten sprach er sein Mitgefühl aus. Vor dem Stadion von Saint-Denis sowie an den durch die Attentäter nacheinander unter Beschuss genommenen sechs Pariser Straßencafés und vor dem Konzertsaal Bataclan, wo die Terroristen das größte Blutbad anrichteten, verneigten sich die Politiker in schweigendem Gedenken.
Nachdem die Namen der hier ums Leben gekommenen Menschen verlesen waren, richtete Macron einige Worte an die anwesenden Angehörigen. Doch einige Familien waren der Gedenkzeremonie demonstrativ ferngeblieben, um so protestieren, dass die Regierung Zusagen nicht einhält. Vor allem kritisieren sie, dass das nach den Anschlägen von 2015 geschaffene Staatssekretariat für die Terroropfer im vergangenen Juni durch den neugewählten Präsidenten abgeschafft wurde und die Hilfe für die Familien spürbar nachgelassen habe. »Wir fühlen uns alleingelassen gegenüber einer gefühllosen Bürokratie«, klagt Marion M., die ihren Mann im Bataclan verloren hat und die mit ihrem kleinen Sohn in ernste wirtschaftliche Probleme geraten ist. Michael, der Sohn des Busfahrers Manuel Dias, des ersten Todesopfers von Saint-Denis, erklärte: »Ich folge nicht der Einladung zur Zeremonie und gebe Emmanuel Macron nicht die Hand, weil er sich seit seiner Wahl gegenüber den Terroropfern genauso geringschätzig verhält wie gegenüber allen benachteiligten Menschen in unserem Land.«
Wie Innenminister Gérard Collomb am Wochenende in einem Interview erklärte, ist Frankreich nach wie vor eines der Hauptziele radikaler Islamisten. Seit November 2015 hat es mehrere Anschläge auf Polizisten und Militärs, auf Besucher eines Feuerwerks in Nizza und auf eine Kirche bei Rouen gegeben, weitere 14 Terroranschläge konnten vereitelt werden. Erst kürzlich wurde in Südfrankreich eine Gruppe ausgehoben. »Unsere Sicherheitskräfte haben viel dazugelernt und können heute Terrorvorhaben ermitteln und durchkreuzen, die uns vor zwei Jahren noch verborgen geblieben wären«, meint der Minister. Ernstzunehmende Gefahr gehe heute von den aus dem Irak und Syrien zurückkehrenden französischen IS-Kämpfern aus, deren Zahl man einschließlich ihrer Familienangehörigen auf insgesamt 1700 schätzt.
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