Dauerstellen im Mittelbau
Gewerkschaft GEW fordert Karrierewege abseits der Professur
Rund 24 000 Professorinnen und Professoren lehren und forschen derzeit nach Angaben des Statistischen Bundesamtes an deutschen Hochschulen. Ihnen stehen knapp 250 000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ohne Professur gegenüber. Während die verbeamteten Professorinnen und Professoren in Lehre und Forschung formal autonom sind, wird das Heer des sogenannten akademischen Mittelbaus - darunter viele promovierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter - mit befristeten Verträgen kurz gehalten. Hierdurch werden, so der Hochschulexperte der GEW, Andreas Keller, gegenüber »nd«, akademische Freiheit und wissenschaftliche Innovationskraft gehemmt. Der akademische Mittelbau an den Hochschulen dürfe nicht mehr länger zu »Kofferträgern der Professoren« degradiert werden, sagte der stellvertretende GEW-Vorsitzende am Dienstag nach einer gemeinsamen Tagung der Bildungsgewerkschaft und dem »Netzwerk Gute Arbeit in der Wissenschaft« in Potsdam.
90 Prozent der Stellen im Mittelbau seien nach wie vor befristet, so Keller weiter. Viele dieser Akademiker lehrten und forschten selbstständig, seien aber formal einem Lehrstuhl gegenüber weisungsgebunden. Personalstrukturen und Personalentwicklung müssten dringend modernisiert werden, wenn Hochschulen mit Arbeitgebern in der Industrie und im Ausland konkurrieren wollten. Die GEW fordere daher neue Karrierewege, die nicht nur zur Professur, sondern zu Dauerstellen in Lehre, Forschung und Wissenschaftsmanagement führen. Vorbild könnten Länder wie Frankreich, USA oder Großbritannien, in denen es solche Karrieremöglichkeiten bereits seit Längerem gebe.
In der Pflicht sieht Keller sowohl die Politik als auch die Hochschulrektoren, die sich am Dienstag ebenfalls in Potsdam zu ihrer turnusmäßigen Tagung trafen. Die Hochschulleitungen verfügten mittlerweile über mehr Autonomie, so dass sie eigenständig Regelungen zur Verbesserung der Situation der Beschäftigten des akademischen Mittelbaus treffen könnten. Das Interesse für die Problematik seit bei den meisten Hochschulleitungen allerdings gering, kritisiert Keller. Wenn überhaupt, dann werde eine Debatte nur dann geführt, wenn es um administrative Tätigkeiten gehe, zum Beispiel bei der Betreuung von Laboren oder von wissenschaftlichen Sammlungen. Bund und Länder sollten zudem prüfen, inwieweit die Hochschulgesetze sowie das vor Kurzem gestartete »Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses« dem Reformbedarf überhaupt noch gerecht werden. In den meisten Hochschulgesetzen der Länder, so Keller, sei die Autonomie von Wissenschaftlern aus dem Mittelbau lediglich eine Kann-Bestimmung.
Als Blaupause für eine entsprechende Gesetzesreform stellte die GEW auf der Tagung in Potsdam ein Konzept für eine neue Personal- und Karrierestruktur an den Hochschulen und Universitäten vor, das vom Gewerkschaftstag der GEW im Mai dieses Jahres verabschiedet wurde und das im Netz unter www.gew.de/aktuelles/detailseite/neuigkeiten/wissenschaft-als-beruf heruntergeladen werden kann. Seite 9
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.