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Kahlschlag im Gasturbinenwerk

Die IG Metall kämpft gegen den drohenden Stellenabbau in den Berliner Siemenswerken

Predag Savic war in München, als er von der Hiobsbotschaft erfuhr. Der Beschluss der Konzernführung über den umfangreichen Arbeitsplatzabbau entsprach jenen Angaben, die bereits in der Presse kursierten - und das macht den Betriebsratsvorsitzenden des Spandauer Dynamowerks wütend. Wochenlang sei die Belegschaft hingehalten worden, vage Ankündigungen machten die Runde. Die Siemensianer hatten gehofft, dass der Kelch des Arbeitsplatzabbaus an ihnen vorbeigeht.

Doch seit Donnerstag herrscht Gewissheit, dass Siemens auch in Berlin 870 Stellen abbauen will. Am stärksten betroffen ist das Dynamowerk in Spandau. Dort soll die Fertigung geschlossen werden. Etwa 570 der 800 Stellen fallen dadurch weg. »Ohne Produktion werden sich auch die Ingenieure und der Service nicht halten«, befürchtet Savic. »Das ist eine Werkschließung auf Raten.«

Weitere 300 Stellen will der Konzern im Gasturbinenwerk in Moabit streichen. Dort ist die Enttäuschung besonders groß. Denn das Werk war unlängst noch am wichtigsten Einzelauftrag der Firmengeschichte beteiligt. Siemens baut derzeit in der Wüste vor Kairo das größte Gaskraftwerk der Welt. Der Betriebsratsvorsitzende Günter Augustat spricht oft von dem »Ägyptendeal«, der die Beschäftigten in der Huttenstraße bis an den Rand der Belastung gebracht habe. Trotzdem steht nun die Schließung von Teilbereichen an.

Kampflos will die IG Metall diese Pläne aber nicht hinnehmen. »Die Turbinen sind gefragt«, rief Klaus Abel, Chef der Berliner IG-Metall, auf einer Kundgebung vor der Siemenszentrale in der Nonnendammallee am Freitag den rund tausend Beschäftigten zu. »Die Motoren im Dynamowerk für die Antriebstechnik auch.« Abel wirkte aufgebracht, redete sich geradezu in Rage. Sein Auftritt war keine wohlkalkulierte Eskalation wie etwa bei einem Tarifkonflikt. Es geht auch nicht um eine Lohnerhöhung, sondern um den Wegfall von weltweit 6900 Stellen, etwa die Hälfte davon in Deutschland, fast 900 in Berlin. Und das bei einem Konzern, der kein Sanierungsfall sei, wie Abel anmerkte. Immerhin hat Siemens im vergangenen Geschäftsjahr 6,2 Milliarden Euro Gewinn gemacht.

Die Gewerkschaft plant für die kommenden Wochen einen umfangreichen Protest. In Berlin ist Auftakt dafür am Montag in Moabit eine Menschenkette rund um das Gasturbinenwerk. Angekündigt hat sich dort auch der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD), der die Siemens-Pläne für »nicht hinnehmbar« hält. Gemeinsam mit den Ministerpräsidenten von Brandenburg, Sachsen und Thüringen hat er bereits versucht, gegen den radikalen Umbau bei Siemens zu intervenieren. Die Länderchefs befürchten durch den Arbeitsplatzabbau gravierende Auswirkungen auf den Industriestruktur. Auch in Görlitz und Leipzig soll es Werkschließungen geben.

In Berlin droht sich der Industrieabbau ungebremst fortzusetzen. Allein in Siemensstadt arbeiteten einmal 40 000 Menschen, derzeit sind nicht einmal 10 000. Auch die frühere Osram-Tochter Ledvance an der Nonnendammallee wird im nächsten Jahr ihre Werkstore schließen, nicht einmal ein Jahr, nachdem das Unternehmen an ein chinesisches Konsortium verkauft wurde. 220 Beschäftigte sind von der Schließung betroffen. Die IG Metall macht für den Niedergang Managementfehler verantwortlich.

SPD-Chef Martin Schulz sagte dazu der »Bild am Sonntag«: »Es ist inakzeptabel, dass ein internationaler Konzern, der über Jahrzehnte direkt und indirekt vom deutschen Staat profitiert hat, jetzt die Mitarbeiter für Managementfehler bluten lassen will.«

Unzufrieden mit der Unternehmensleitung sind auch die Beschäftigten des Dynamowerks. »Es hat in den letzten Jahren zu viele Wechsel in der Betriebsleitung gegeben«, sagt Savic. Darunter habe die Ausrichtung des Werks gelitten.

Unbestritten ist auch bei den Gewerkschaftern, dass sich der Weltkonzern Siemens mit seinen 40 Abteilungen einem Wandel unterziehen muss, um konkurrenzfähig zu bleiben. Insbesondere steht es um die konventionelle Energiesparte »Power and Gas« schlecht, aber auch die Windkraftsparte leidet unter einem erheblichen Preisdruck. Doch sie befürchten nun keinen Strukturwandel mehr, sondern einen Kahlschlag.

Längst ist das Vertrauen bei den Siemensianern in Moabit und Spandau angekratzt. Sie fragen sich, was das Abkommen »Radolfzell II« noch Wert ist, das zwischen Konzernleitung und Arbeitnehmervertretung geschlossen wurde, um bei Durststrecken einzelner Sparten betriebsbedingte Kündigungen auszuschließen. Nun stehen nämlich Abfindungen und Versetzungen im Raum.

Der Betriebsratsvorsitzende Savic kündigt an, verhandeln zu wollen - »bis wir akzeptable Ergebnisse erzielt haben«. Auch Abel gibt sich optimistisch, dass Arbeitsplätze gehalten werden können. Aber noch fehlen ihnen die Ansprechpartner, mit denen sie zusammen am Tisch sitzen. Der Konzern gibt sich nämlich bedeckt.

Derweil macht bereits das nächste Gerücht die Runde. Offenbar plant Siemens, in Tschechien ein Entwicklungszentrum für Elektromotoren aufzubauen, 1800 neue Stellen sollen dort geschaffen werden. Doch auch hierzu schweigt die Unternehmensführung sich noch aus.

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