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- SPD gegen Große Koalition
Bloß nicht wieder mit der Union
Die SPD-Führung bekräftigt ihre Absage an eine erneute Große Koalition
Die sogenannten Jamaika-Parteien haben mit dem Abbruch der Sondierungsgespräche auch die Planungen der SPD durcheinandergewirbelt. Eigentlich wollte der Parteivorsitzende Martin Schulz bei einer Pressekonferenz am Montag im Willy-Brandt-Haus über programmatische Überlegungen und über die anstehenden Vorstandswahlen der Sozialdemokraten sprechen. Wegen des Scheiterns von Schwarz-Gelb-Grün stand aber auf einmal eine andere Frage im Zentrum der Beratungen der SPD-Spitze: Kann die Partei ihren kurz nach der Bundestagswahl getroffenen Beschluss, nicht erneut in eine Große Koalition einzutreten, auch unter den neuen Bedingungen aufrechterhalten?
Im linken Flügel der Partei war man sich schnell einig. Der stellvertretende Parteichef Ralf Stegner verkündete am Morgen in diversen Medien, dass die SPD für eine schwarz-rote Bundesregierung nach wie vor nicht zur Verfügung stehe. Die Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter, dass das Wahlergebnis von 20,5 Prozent, das die Sozialdemokraten im September eingefahren hatten, ein Warnsignal sei. »Die SPD muss sich erst erneuern«, schrieb Mattheis.
Konservative Sozialdemokraten äußerten sich hingegen zurückhaltender und schlossen Gespräche nicht aus. »In der Ruhe liegt die Kraft«, meinte Johannes Kahrs, Chef des Seeheimer Kreises, gegenüber dem »Handelsblatt«. »Alle Parteien müssen sich nun neu sortieren und überlegen, wie es weitergeht.« Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels, verkündete: »Sprechen muss man natürlich immer.«
In der SPD-Spitze setzten sich schließlich diejenigen durch, die eine klare Absage befürworteten. Der Vorstand beschloss mittags einstimmig, eine Große Koalition auszuschließen. »Wir scheuen Neuwahlen unverändert nicht«, heißt es in dem Beschluss. Wenn die Entscheidung anders ausgefallen wäre, hätte Martin Schulz bei den Mitgliedern an Vertrauen verloren. Er war in den vergangenen Wochen durch die Bundesrepublik getingelt, um sich bei Regionalkonferenzen Meinungen der SPD-Basis anzuhören. Diverse Genossen hatten ihm mitgeteilt, dass das Bündnis mit der Union nicht sonderlich beliebt sei und als eine Ursache für die Krise der Sozialdemokraten gesehen werde.
Vor den Journalisten erklärte Schulz, dass sich an seiner Auffassung nichts geändert habe. Der Verlust von 14 Prozentpunkten, den Union und SPD bei der Bundestagswahl zusammen erlitten hätten, sei eine »rote Karte der Wähler für die Große Koalition« gewesen. Dagegen habe es ein »eindeutiges Mandat für die Jamaika-Parteien gegeben«. Schulz machte Union, FDP und Grünen schwere Vorwürfe. Sie hätten sich als unfähig erwiesen, eine Bundesregierung zu bilden und mit ihrem Verhalten das Land in eine schwierige Lage gebracht. »Nun sollen die Parteien und die Verfassungsorgane, der Bundespräsident und der Bundestag, die Situation erörtern«, sagte Schulz. Die SPD halte es für richtig, dass der Souverän die Lage neu bewertet. Eine mögliche Minderheitsregierung sah Schulz als »nicht praktikabel«.
Um dem Vorwurf entgegenzutreten, dass seine Partei keine »staatspolitische Verantwortung« übernehmen wolle, verwies Schulz auf die aktuelle Arbeit der geschäftsführenden schwarz-roten Bundesregierung. »Die SPD regiert sorgfältig«, meinte Schulz. So halte sich Außenminister Sigmar Gabriel wegen der dortigen Krise zurzeit in Myanmar auf, Arbeitsministerin Katarina Barley diskutiere in Brüssel über die Ergebnisse des EU-Sozialgipfels in Göteborg und Umweltressortchefin Barbara Hendricks sei kürzlich beim Klimagipfel präsent gewesen.
Auch die CDU-Vorsitzende Angela Merkel scheint sich auf Neuwahlen vorzubereiten. Sie würde ihre Partei in Neuwahlen führen, falls es dazu kommen sollte. Sie sei »eine Frau, die Verantwortung hat und auch bereit ist, weiter Verantwortung zu übernehmen«, sagte die geschäftsführende Bundeskanzlerin am Montag in einem ARD-»Brennpunkt«.
Am Mittwoch will sich der Parteichef zu einem Gespräch mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier treffen. Steinmeier hatte die Parteien am Montag ermahnt, gesprächsbereit zu sein, um eine Regierungsbildung in absehbarer Zeit möglich zu machen. Nach der erneuten Absage der SPD an die Union stehen die Chancen hierfür allerdings schlecht.
Dabei stecken die Sozialdemokraten in einem Dilemma. Denn derzeit sieht es nicht danach aus, dass ihnen baldige Neuwahlen helfen würden. Bundesweite Umfragen sagen der Partei nicht mehr als 21 Prozent der Stimmen voraus. Die SPD befindet sich mitten in einer Selbstfindungsphase. Auch die Führungsfrage ist noch lange nicht geklärt. Schulz soll im Dezember auf einem Berliner Parteitag als Vorsitzender bestätigt werden. Aber das bedeutet nicht automatisch, dass er erneut die Spitzenkandidatur seiner Partei übernehmen würde. Denn nicht wenige SPD-Politiker halten Schulz zumindest für mitschuldig an dem historisch schlechten Abschneiden der Sozialdemokraten bei der Bundestagswahl. Schulz wies darauf hin, dass er als Parteivorsitzender das Vorschlagsrecht für die Kanzlerkandidatur habe. »Von diesem Recht werde ich zu gegebenem Zeitpunkt auch Gebrauch machen«, kündigte er an.
In der zweiten Reihe der SPD lauern seit einigen Jahren dieselben Personen. Der Fraktionsvorsitzenden Andrea Nahles sowie Olaf Scholz werden immer wieder große Ambitionen nachgesagt. Der Hamburger Bürgermeister stellt sich beim Parteitag erneut als stellvertretender Bundeschef zur Wahl. Hinzu kommen fünf weitere Vizevorsitzende. Am prominentesten sind neben Scholz die Ministerpräsidentinnen von Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz, Manuela Schwesig und Malu Dreyer.
An der Programmatik seiner Partei will Schulz kurzfristig offenbar nichts ändern. Obwohl die SPD im Wahlkampf weitgehend auf Umverteilungsforderungen und eine offensive Lohnpolitik verzichtet hatte, meinte der Vorsitzende, dass man die »richtigen programmatischen Aussagen« gemacht habe. Es hätten lediglich die Zuspitzungen gefehlt. Diese wolle die SPD künftig bei den Themen Zukunft der Arbeit, Klimawandel, Pflege und Bekämpfung der Steueroasen liefern.
Ihre programmatischen Fragen wollten die Sozialdemokraten eigentlich erst in den kommenden Monaten klären. Doch diese Pläne wird die SPD kaum aufrechterhalten können, wenn sie demnächst erneut mit einem Bundestagswahlkampf oder mit Koalitionsfragen beschäftigt sein sollte. Der geplante Leitantrag der SPD-Spitze für den Parteitag enthält mehr Fragen als Antworten. Der Erneuerungsprozess sollte bis Ende kommenden Jahres andauern und in Arbeiten an einem neuen Grundsatzprogramm münden. Das aktuelle Parteiprogramm stammt aus dem Jahr 2007.
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