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  • Schwangerschaftsabbruch vor Gericht

»Ein Anlass, die Gesetze zu ändern«

Die Frauenärztin Edith Beckmann kritisiert den Prozess gegen Kristina Hänel

  • Katharina Schwirkus
  • Lesedauer: 6 Min.

Auf ihrer Homepage steht, dass Sie Ausschabungen und Absaugungen durchführen. Haben Sie deswegen schon mal Protest von Abtreibungsgegner*innen erfahren?

Ja. Genau. Das heißt, die Formulierung, die sich jetzt auf meiner Homepage findet, ist aus Erfahrung so geschrieben worden. Es ist zehn Jahre her, dass sich die Kripo bei mir gemeldet hat, es läge eine Anzeige vor wegen »unerlaubter Werbung für Schwangerschaftsabbrüche«. So im Wortlaut. Ich bin aus allen Wolken gefallen und habe gefragt, wieso werbe ich denn wo für Schwangerschaftsabbrüche? Dann wurde mir gesagt, auf meiner Website. Das heißt, es ist verboten, in irgendeiner Weise da Schwangerschaftsabbrüche zu erwähnen.

Edith Beckmann
Dr. med. Edith Beckmann

Edith Beckmann ist Gynäkologin in Berlin. Sie führt Schwangerschaftsabbrüche durch und hat sich mit Kolleginnen, Kollegen und Beratungsstellen in einem Schreiben mit der angeklagten Kristina Hänel solidarisiert. Mit ihr sprach für das »nd« Katharina Schwirkus über die Rechtslage in Deutschland und die Frage, wo Werbung für Schwangerschaftsabbrüche beginnt.

Was haben Sie dann getan?

Die Kripo hat mir gesagt, dass sie der Anzeige nachgehen müssen, aber wenn ich es sofort ändern würde, dann würden sie davon ablassen. Daraufhin habe ich noch an diesem Tag die Formulierung ändern lassen. So wie es jetzt auf der Homepage steht, ist es okay, weil Absaugungen auch in anderen Fällen gemacht werden.

Sie meinen, beispielsweise wenn ein Embryo oder Fötus verstirbt. Und was genau haben Sie dann gelöscht, was war der Unterschied?

»Schwangerschaftsabbruch« ist gelöscht. Das heißt, wer Erfahrung hat, wer ein bisschen denken kann, kann sich denken, worum es da geht. Wobei auch frühe Aborte, wenn die Schwangerschaft sagen wir in der 10. Woche abgestorben ist, abgesaugt werden. Das heißt …

Das heißt, das betrifft nicht nur Abtreibungen im strengen Sinne …

Das heißt, ich darf »Abtreibungen« nicht nennen, weil das unerlaubte Werbung ist, so wurde mir das erzählt. Wobei ich den Paragrafen 219 noch mal durchgelesen habe und da geht es ja mehr um die Beratung.

Haben Sie danach nochmals Probleme gehabt?

Nein. Aber andere KollegInnen, zum Beispiel der Dr. Pett, der auch Berufsverbandsvorsitzender der Ambulanten Operateure war, und ein sehr engagierter Gynäkologe ist. Der hatte auch in dieser Richtung Probleme. Wobei ich nicht weiß, wie es mit der Strafverfolgung war. Aber an ihm hingen Leute von »Babykaust«.

Wer steckt hinter »Babykaust«?

Das sind sogenannte Lebensschützer. Dr. Pett hatte da wirklich große Probleme, weil er bei denen auf irgendeine Schwarze Liste kam. In diesem Zusammenhang wurde dann immer gesagt, dass er ein Mörder sei, es gab viele Veröffentlichungen. Mittlerweile ist das schon ein paar Jahre her. Jetzt ist es vielleicht so, dass man auch rechtlich gegen solche Rufschädigungen im Internet vorgehen könnte. Da hat sich auch ein bisschen was geändert. Aber dieser Arzt hatte wirklich massive Probleme in Richtung Rufmord.

Bei dem Paragrafen 219a geht es in erster Linie darum, Werbung für Schwangerschaftsabbrüche zu unterbinden. Aber inwiefern ist die Beschreibung des Angebots auf der Homepage überhaupt Werbung?

Aus meiner Sicht natürlich nicht. Ich muss ja sagen, was ich alles mache. So, wie auch Beratungsstellen wie »Pro Familia« und andere. Frauen, die diese Hilfe brauchen, einen Schwangerschaftsabbruch, die müssen auch wissen, wo kriege ich überhaupt einen. Das heißt, man kann nicht so ein Gesetz machen, mit dem Paragrafen 218, das sagt, ja, unter den und den Umständen ist das straffrei möglich und dann kann man aber nicht erfahren, wo. Wenn man Schwangerschaftsabbrüche möglich macht, muss man auch sagen: Da bekommst du das in kompetenter Weise.

Finden Sie es wichtig, dass Frauen die Möglichkeit haben abzutreiben?

Na sicher.

Warum?

Weil es Lebensumstände gibt, in welchen es einer Frau unmöglich ist, ein Kind zu bekommen. Das hat niemand anders zu beurteilen, als die Frau selbst. Es gibt Lebensumstände, wo wirklich eine Schwangerschaft nicht geht, oder ein großes Unglück bedeutet, oder eben nicht zu handhaben ist. Das gibt es schon. Es wird oft bestritten. Es heißt dann, dass es irgendwo einen Ausweg gäbe. Aber das ist so vom Grünen Tisch aus leicht gesagt. Und ich finde, dass diese Möglichkeit doch wichtig ist.

Gibt es in Deutschland ausreichend Möglichkeiten für Frauen, sich über ihre Rechte zu informieren und von diesen dann auch Gebrauch zu machen?

Ja, das schon. Aber dieser Paragraf 218, so, wie er jetzt ist, eine Krücke. Er ist eine Krücke, weil unser Rechtssystem nicht etwa neutral ist, sondern doch kirchlich sehr beeinflusst. Sonst würde es diese Art und Weise der Regelung nicht geben. Und beim Paragrafen 219 ist ja sozusagen nicht von einer »offenen Beratung«, die Rede, sondern diese Beratung soll dazu dienen, dass die Frau das Kind behält. Das ist in der Praxis gar nicht der Fall, zumindest nicht in Berlin, sondern die Frauen werden da schon offen beraten. Das heißt, wenn man in Berlin zu einer Beratungsstelle geht, bekommt man da keine Hirnwäsche, sondern man versucht, ihnen zu helfen.

Der Paragraf 218, sagt ja im Prinzip, dass ein Schwangerschaftsabbruch strafbar ist und nur unter bestimmten Bedingungen nicht. Finden Sie das so in Ordnung?

Nein, weil er die Frauen erst mal kriminalisiert und es Ihnen noch schwieriger macht. Dass es per se erst mal eine Strafe ist, das finde ich nicht richtig. Ich finde es auch irgendwie absurd und das ist dem geschuldet, dass im Bundestag die Kirche doch sehr viel reinredet. Es hat natürlich auch mit der Geschichte des Paragrafen zu tun. Früher gab es eine Indikationsregel. Man musste also zu einer Beratungsstelle gehen und denen musste man sagen, wenn ich jetzt keinen Abbruch kriege, bringe ich mich um, oder die »Notlage« dezidiert schildern, in der sich die Frau befand. Dann hat man die Scheine - also die Erlaubnis zum Schwangerschaftsabbruch - auch bekommen. Das heißt, es war damals auch eine Formalie. Aber es hing eben vom Wohlwollen der Beratungsstellen ab und der Umgebung.

Was sagen Sie zu den Vorwürfen gegen Kristina Hänel, die sich heute vor dem Gericht in Gießen verantworten muss?

Dass es überhaupt in diesem Fall zum Prozess kommt, das hat nichts mit den Paragrafen zu tun, die haben ja eine gewisse Auslegungsbreite. Wie bei mir damals, da hätte man mich ja auch anklagen können. Da gibt es ganz viele Gynäkologen, die haben dieselben Erfahrungen gemacht. Sie wurden aber nicht einer Strafverfolgung unterzogen, das heißt, es kam nicht zur Anklage. Und dass es jetzt in Gießen zu diesem Prozess kommt - da frage ich mich, was steckt dahinter und gibt es da nicht auch, wie in manchen anderen gesellschaftlichen Situationen, so ein Rollback. Werden wir jetzt ganz besonders fundamentalistisch? Zu einem Prozess gehört ja ein Staatsanwalt und ein Richter, die diesen Prozess eröffnen, es gehört mehr dazu, als nur eine Anzeige einer solchen fundamentalistischen Organisation.

Denken Sie, dass durch den Prozess eine Debatte über den Paragrafen 219a angestoßen wird?

Ja, es ist auf jeden Fall ein Anlass, diese Gesetze zu ändern, weil die Beschreibung des Angebots von Ärzten im Internet nichts mit Werbung zu tun hat.

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