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Velika - eine Antigone des 20. Jahrhunderts
Petre M. Andreevski war ein großartiger Erzähler und hat uns mit einem eindrucksvollen Mazedonien-Roman beschenkt
»Das hier wird nicht gut enden«, sage ich zu Jon, »das muss irgendeine Krankheit nach sich ziehen ..., ein Dürrejahr oder die Läuseplage ... oder einen langen Krieg …« An diese Sätze erinnert sich Velika (der Name heißt »die Große«), nachdem alles, was sie vorausgesehen hat, so über das kleine Bergdorf und seine Bewohner gekommen ist, über die Familien dort und das ganze Land Mazedonien: Hunger, Seuchen, Brände, Verwüstung, Elend und Tod - das alles im Gefolge des großen Krieges, nämlich des Ersten Weltkriegs.
• Petre M. Andreevski: Quecke. Roman.
A. d. Mazedon. v. Benjamin Langer.
Ill. v. Valeria Gordeev. Guggolz Verlag, 448 S., geb., 24 €.
»Der Zorn der ganzen Welt endet hier bei uns«, sagt einmal der sagenumwobene Lazor Noceski. Während die Völker ringsum, vorher die Osmanen und nun die Griechen, die Bulgaren und die Serben, an diesem kleinen Land zerren, hinter ihnen die Großmächte, schicken die Behörden alle wehrtauglichen Männer an die Front, die mitten durchs Land geht. Bruder und Bruder stehen einander gegenüber.
Der Roman »Quecke« des mazedonischen Schriftstellers Petre M. Andreevski (1934 - 2006) ist ein Kriegsepos, das an antike Mythen erinnert. Velika ist eine Antigone des 20. Jahrhunderts. Deren schicksalhafte Bestimmung wird das Begraben und Beweinen ihrer fünf Kinder, während ihr Ehemann Jon im Kugelhagel durch Schlamm und zerfetzte Kameraden robbt, im Lazarett landet und am Ende traumatisiert nach Hause kommt. Die Ehe zerbricht. Er geht als Polizeispitzel am Alkohol zugrunde.
Andreevski erweist sich als geschickter Roman-Gestalter und großartiger Erzähler, dessen »balkanische« Sprachkraft mich an Ivo Andrić erinnert. Der Roman ist mehrstimmig, das heißt, eigentlich lässt der Autor nur zwei Menschen reden, nämlich abwechselnd aus unterschiedlichen Blickwinkeln Velika und Jon. Aber ihr Schicksal ist das der ganzen Dorfgemeinschaft, und in ihre Stimmen mischen sich direkt oder indirekt die der Verwandten und Nachbarn, der Geschäftstüchtigen und der Armen, der Guten und Bösen, der starken Frauen, der Kinder und der Tiere - und die vielen Wisperlaute der Natur. Es muss auch die Stimme von »Davide dem Trottel« erwähnt werden. Der weiß mehr als das, was man sieht und hört, und vielleicht geht er deshalb zugrunde.
Andreevski hat das Geschehen in eine Rahmenhandlung gestellt. Bei Velikas Beerdigung »an einem schönen Frühlingstag« erzählt der Zeuge Duko Vendija dem einzig überlebenden, spät geborenen Sohn Velikas die tragische Geschichte seiner Eltern, wie beide sie ihm unterschiedlich berichtet haben. Als der Tag endet, endet auch seine Erzählung. Doch in der nächsten Generation lebt sie fort und mit ihr auch der Glaube an Mythen und Magie, das Absurde und Groteske, das dem Geschehen innewohnt. Alles zusammen ist unausrottbar wie das Kraut oder Unkraut, das »Quecke« heißt.
Es bleibt zu erwähnen, dass die Übersetzung von Andreevskis »ausgefeilter Kunstsprache« offensichtlich nicht einfach war, Benjamin Langer sie aber überzeugend geleistet hat. Hier ein Beispiel: »...von den Feldern flossen vielerlei Farben herab, zerliefen auf den Äckern und Weiden, krochen an den Bäumen empor und ließen sich in neuen Höhen nieder.« So wird Velikas Beerdigung zu einem Fest.
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