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Eingemauert

José Eduardo Agualusa: ein Roman wie ein Film

  • Manfred Loimeier
  • Lesedauer: 2 Min.

Jemand mit einer guten Geschichte ist beinahe schon ein König, schreibt der angolanische Autor José Eduardo Agualusa in seinem Roman »Eine allgemeine Theorie des Vergessens«. So gesehen, müsste er ein König sein, denn er erzählt eine sehr gute Geschichte - eine Geschichte, die auf einer wahren Begebenheit beruht.

• José Eduardo Agualusa: Eine allgemeine Theorie des Vergessens.
A. d. Port. v. Michael Kegler. Verlag C. H. Beck, 197 S., geb., 19,95 €

1974 beendete die friedliche Nelkenrevolution in Portugal nicht nur die dortige Diktatur, sondern bereitete auch dem portugiesischen Kolonialreich ein Ende. Aus Angola flüchteten die Portugiesen Hals über Kopf, und die Soldaten der angolanischen Befreiungsbewegungen, aber auch marodierende Banden zogen durch die Straßen der Hauptstadt Luanda.

Dort wohnt Ludovica, die ihre Angehörigen verloren hat und sich in ihrer Hochhauswohnung ängstigt. Als sie einen Einbrecher erschießt, mauert sie sich in ihrer Wohnung ein, lebt von Gartenbau auf der Terrasse und von Vogelfang, schreibt Tagebücher - und wagt sich erst nach rund 30 Jahren wieder in die Wirklichkeit.

Das ist tatsächlich so geschehen - aber was Agualusa auf der Grundlage dieser Geschichte entwirft, ist ein fantastisches Netz aus Abenteuern, Zufällen, Begegnungen, Dramen und Romanzen. Von ihrem Balkon aus beobachtet Ludovica die Menschen unten auf den Straßen Luandas: einen Mann, der flieht, einen Jungen, der stiehlt, Polizisten, Passanten. Und mehrfach lockt sie Tauben auf ihren Balkon, um sie braten zu können. Doch eine davon entpuppt sich als Brieftaube mit einer Liebesbotschaft, und Ludovica lässt sie wieder frei.

Wie bei einem Reigen verknüpft Agualusa die Schicksale seiner Figuren, die alle irgendwie miteinander in Beziehung stehen - oder aber durch die Taube mit dem Liebesbrief in Beziehung gebracht werden. In einer raschen Folge aus jeweils kurzen Szenen setzt sich das Mosaik seiner Romanhandlung zusammen. Diese Machart erinnert an die Short-Cuts-Technik des Kinos. Das ist kein Zufall, denn Agualusa entwickelte seinen Stoff zuerst als Drehbuch. Als der Film dann nicht zustande kam, gestaltete er daraus seinen Roman. Das kurze Aufblenden der Szenen aus Vergangenheit und Gegenwart erlaubt es zudem, die Korruption und Kriminalität von heute mit der Tradition der Gesetzlosigkeit in Angola in Bezug zu setzen.

Am Ende des Romans reißt Ludovica die Mauer zu ihrer Wohnung ein und stellt sich der Gegenwart - was als Kommentar zur Theorie des Vergessens gelesen werden kann.

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