- Wirtschaft und Umwelt
- Nach der Glyphosat-Entscheidung
Merkel: Schmidt verstieß gegen Geschäftsordnung der Regierung
SPD-Vize-Chef Stegner spricht von »glattem Vertrauensbruch« / Agrarminister Schmidt: Habe alleine entschieden
Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) wegen dessen Zustimmung zur Zulassung des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat auf EU-Ebene einen Verstoß gegen die Geschäftsordnung der Bundesregierung vorgeworfen. »Das entsprach nicht der Weisungslage, die von der Bundesregierung ausgearbeitet war«, sagte Merkel am Dienstag in Berlin. Deutschland hatte in Brüssel auf Veranlassung von Schmidt mit Ja gestimmt, obwohl Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) dem widersprochen hatte.
Auch die die SPD reagierte empört auf das überraschende Ja von Agrarminister Christian Schmidt (CSU) zu einer weiteren Zulassung des umstrittenen Unkrautgifts Glyphosat in der EU. Schmidts Votum sei ein »glatter Vertrauensbruch« und widerspreche auch der Geschäftsordnung der Bundesregierung, erklärte Vize-Chef Ralf Stegner am Montagabend in der ARD. Er sprach von einem »ordentlichen Schlag ins Kontor«. Da die SPD vorher klar Nein zu einer weiteren Zulassung gesagt habe, hätte Schmidt sich in dem EU-Gremium enthalten müssen. Die Sozialdemokraten fragen sich, ob Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) davon gewusst habe, so Stegner weiter. Der Vertrauensbruch diene nicht den laufenden Gesprächen, die jetzt auf Wunsch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) zwischen den Parteien geführt werden, um eine Regierungsbildung zu ermöglichen.
Die SPD lehnt eine Zulassung des Gifts dagegen ab, unter anderem wegen möglicher Krebsrisiken für die Bevölkerung. Nahles hatte auch von einem »schweren Vertrauensbruch« in der geschäftsführenden Bundesregierung gesprochen. Der sozialdemokratische Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach ebenfalls.
Schmidt hatte sein Ja zu einer weiteren Zulassung des Unkrautgifts für fünf Jahre mit »wichtigen Verbesserungen zum Schutze der Pflanzen- und Tierwelt« gerechtfertigt. Am Dienstagmorgen bekräftigte er, auf eigene Faust gehandelt zu haben. »Ich habe eine Entscheidung für mich getroffen und in meiner Ressortverantwortung«, antwortete der CSU-Politiker. »Das sind Dinge, die man auf die Kappe nehmen muss. Dazu ist man da.«
In Brüssel stimmten 18 der 28 Mitgliedstaaten für die Zulassungsverlängerung um fünf Jahre. Nötig wären mindestens 16 Mitgliedstaaten gewesen, die für 65 Prozent der EU-Bevölkerung stehen. Dieses zweite Kriterium wurde nun ganz knapp mit 65,7 Prozent erreicht.
Die Grünen fordern nun Aufklärung. Die frühere Ressortchefin Renate Künast nannte es einen »ungeheuren Vorgang«, dass Schmidt mit Ja gestimmt habe, obwohl das SPD-geführte Umweltministerium dagegen war. Und die Linksparteichefin Katja Kipping schrieb auf dem Kurznachrichtendienst Twitter: »Wie die CSU bei ihrer Zustimmung zur #Glyphosat-Zulassung in der EU die Absprache mit der SPD eiskalt ignoriert, gibt uns ersten Vorgeschmack, wer in einer möglichen neuen #GroKo der Koch und wer nur Kellner sein soll.«
Schmidt selbst sagte auf Fragen, inwiefern Merkel einbezogen war: »Der Fachminister, der federführend in dieser Frage ist, muss im Laufe von Beratungen in Brüssel in der Lage sein, an der Sache orientierte Entscheidungen zu treffen.« Merkel hatte zuvor aber grundsätzlich befürwortet, den Wirkstoff weiter anzuwenden.
Wo Glyphosat ausgebracht wird, wächst kein Gras mehr - und auch kein Kraut, Strauch oder Moos. Verkauft werden jährlich rund 850.000 Tonnen solcher Mittel, in Deutschland sind es 5000. Agenturen/nd
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