Ein Job, der nicht gefragt ist
In Sachsen-Anhalt mangelt es an Gerichtsvollziehern
Köthen. Den Gerichtsvollziehern in Sachsen-Anhalt fehlt Nachwuchs in ihrem Beruf. »Die aktuelle Personalsituation ist sehr angespannt«, sagte die Vorsitzende des Verbands der Gerichtsvollzieher, Daniela Merke, der dpa. Derzeit fehlten etwa 25 Gerichtsvollzieher. In den nächsten fünf Jahren würden zudem zehn weitere Kollegen in den Ruhestand gehen.
Gleichzeitig befänden sich derzeit nur zwei Bewerber in der Ausbildung. In den vergangenen Jahren habe man die angebotenen Ausbildungsmöglichkeiten nicht ausschöpfen können. Grund dafür sind aus Merkes Sicht auch die hohen Anforderungen an den Beruf. Gefordert sei vor allem die Fähigkeit, mit Konflikten richtig umzugehen.
Wie gefährlich der Beruf des Gerichtsvollziehers mitunter sein kann, zeigen zum Beispiel Vorfälle bei sogenannten Reichsbürgern. So kam es bei der Zwangsräumung eines Grundstücks in Reuden im August 2016 zu einer Schießerei. Ein SEK-Beamter, der den Gerichtsvollzieher begleitete, wurde verletzt.
Wegen des Vorfalls steht der mutmaßliche Reichsbürger und Ex-»Mister Germany« Adrian Ursache gegenwärtig vor dem Landgericht Halle. Die Anklage lautet unter anderem auf Mordversuch. Merke begrüßte vor diesem Hintergrund die vor kurzem geschaffene Möglichkeit, dass Gerichtsvollzieher mit schusssicheren Westen ausgestattet werden. Dem Verband zufolge waren in Sachsen-Anhalt im vergangenen Jahr 136 Gerichtsvollzieher im Einsatz. Sie bearbeiteten rund 226 000 Vollstreckungsverfahren und trieben etwa 25 Millionen Euro ein.
Merke sprach sich dafür aus, in der Nachwuchsgewinnung neue Wege zu gehen. In Baden-Württemberg gebe es inzwischen ein Fachhochschulstudium für Gerichtsvollzieher. Das werde dem Berufsbild durchaus gerecht. Andere Bundesländer setzten etwa auf Quereinsteiger aus anderen Berufen wie Bankkaufleute oder Rechtsanwaltsfachangestellte.
Der Personalmangel habe Auswirkungen auf die Arbeitsbelastung. Weil es an der notwendigen Zahl von Gerichtsvollziehern fehle, komme es zu Mehr- und Überbelastung, sagte Merke. Die bisherige Politik in Sachsen-Anhalt sei vor allem durch Stellenabbau gekennzeichnet gewesen.
»Einsparungen im öffentlichen Dienst lassen sich politisch gut verkaufen, denn der Großteil der Bürger ist nicht unmittelbar betroffen«, sagte Merke. Trotzdem mache sich der Personalmangel auf allen Ebenen der Justiz bemerkbar - etwa durch Prozesse mit sehr langer Verfahrensdauer, weil auch Richter und Staatsanwälte fehlten. dpa/nd
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