Gemüselager wird Kunstort
Das Kino Delphi öffnet
Ein Gemüselager, eine Wäscherei und ein Depot für die DDR-Zivilverteidigung waren hier untergebracht. Jetzt kehrt wieder die Kunst ein in das ehemalige Berliner Stummfilmkino Delphi.
Unlängst wurden hier Tanzszenen für die Serie »Babylon Berlin« gedreht. Ko-Regisseur Tom Tykwer ließ nach den Aufnahmen einen Teil der Lichtanlage als Geschenk zurück. Die Scheinwerfer tauchen die Bühne des einstigen Stummfilmkinos Delphi jetzt in Kunstlicht. Das Filmtheater in Berlin-Weißensee wird nach Jahrzehnten an diesem Samstag wiedereröffnet - als Ort für Kunst. Die Theatermacher Brina Stinehelfer und Nikolaus Schneider erfüllen sich damit einen Traum. Wo einst Filme gezeigt wurden, sollen nun auch Tanz, Konzerte, Oper und Schauspiel laufen.
Als sie das ehemalige Delphi hinter der grauen Fassade entdeckten, seien sie von dem Ort fasziniert gewesen, berichten die aus New York stammende Stinehelfer und Schneider, der aus Dresden kommt und Cello studiert hat. Das Haus atmet noch Kinogeschichte.
In den 20er Jahren war das Delphi Teil der Filmstadt Weißensee, wo unter anderem der Klassiker »Das Cabinet des Dr. Caligari« gedreht wurde. Die Gegend galt als Klein-Hollywood, mehrere Produktionsfirmen hatten sich in der Umgebung niedergelassen. Auch Marlene Dietrich drehte hier, etwa 1922 den Stummfilm-Klassiker »Tragödie der Liebe«. Die einstige Filmstadt Weißensee diente auch als Kulisse für die gleichnamige ARD-Fernsehserie.
Seit Ende des regulären Betriebs 1959 wurde das Kino im Foyer-Bereich als Gemüselager, Wäschereistützpunkt, Briefmarkengeschäft, Schauraum für Orgelbau oder als Lagerhalle der DDR-Zivilverteidigung genutzt. Dann verfiel das Kino in einen Dornröschenschlaf.
Zwar wurde in den vergangenen Jahren der Saal mit Platz für rund 1000 Zuschauer gelegentlich für Veranstaltungen und Partys geöffnet. Doch ein ständiger Betreiber fehlte. Nach langwierigen Verhandlungen einigten sich Stinehelfer und Schneider mit dem früheren Besitzer auf eine Übernahme.
Das Gebäude war jedoch in schlechtem Zustand, eine Sanierung unumgänglich. Aus Brandschutzgründen mussten die Lüftung erneuert und eine Entrauchungsanlage installiert werden, die Absprachen mit dem Denkmalschutz waren nicht einfach.
Auf rund eine halbe Million Euro wurden die Arbeiten geschätzt - die Summe ist längst überschritten, Stinehelfer und Schneider lassen sich nicht entmutigen. Mit Hilfe der Schweizer Edith-Maryon-Stiftung, die 2016 das Gebäude kaufte, packten sie die Sanierung an. Schneider spricht von einem »großen Glücksfall«.
Doch dazu gehörte auch Pech. Bei einem Einbruch wurden vor einigen Monaten alle Werkzeuge gestohlen, auch die Projektionsanlage ließen die Diebe mitgehen. Der Schaden lag bei mehr als 100 000 Euro. Auf dem Programm stehen aber in den nächsten Monaten Kunstperformances, Theaterstücke und Opernrevuen. Und am 31. Dezember ein »Swinging Silvesterball«. dpa
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