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- Bundesparteitag der AfD
Gute Arbeiter, böse Arbeiter
Völkische Rechte will die AfD auf dem Bundesparteitag auf einen national-sozialen Kurs drängen
Während sich der Blick der Öffentlichkeit beim für dieses Wochenende anstehenden AfD-Bundesparteitag in Hannover auf die Vorstandswahlen konzentriert, versteckt sich weit hinten im Antragsheft eine Forderung, die für die Rechtsaußenpartei zu einer zusätzlichen Zerreißprobe führen dürfte. Nüchtern heißt es auf Seite 111, die Antragsteller fordern den neu gewählten Bundesvorstand auf, eine »klare sozialpolitische Programmatik« zu erarbeiten. Im Bundestagswahlkampf habe sich ein »Nachholbedarf« gezeigt. Als »echte Volkspartei« müsse die AfD »die soziale Frage in all ihren Facetten« aufgreifen und beantworten. Als Schwerpunkte werden dabei im Antrag die Themen Rente und Krankenversicherung benannt.
Hinter diesen Worten steckt bei genauerer Betrachtung nicht weniger als eine Kampfansage an die bisherige Arbeitsmarkt-, Sozial- und Wirtschaftspolitik der Rechtsaußenpartei. Deren Ausrichtung ist noch immer stark vom Geist jener Ökonomenpartei geprägt, die Mitbegründer Bernd Lucke 2013 aus der Taufe hob und für die bis heute Vertreterinnen wie Alice Weidel und Beatrix von Storch stehen. Ihre Vorstellungen erinnern an die alte Idee vom »Nachtwächterstaat«, der sich aus dem Marktgeschehen heraus- und von Sozialprogrammen fernhält.
Teile des Wahlprogrammes dürften auch FDP-Anhänger in Verzückung versetzen: So setzt sich die AfD für die »Abschaffung der Erbschaftsteuer als Substanzsteuer« und gegen die »Reaktivierung der Vermögensteuer« ein. Für die Tilgung bestehender Staatsschulden müsse es verbindliche Regelungen geben, um »Erblasten für spätere Generationen zu vermeiden«.
Beim Thema Mindestlohn haben die Rechten bereits eine Kehrtwende vollzogen. Früher noch gegen den Mindestlohn, änderte sich dies pünktlich zur Bundestagswahl: Seitdem ist die AfD für eine Lohnuntergrenze, schweigt sich allerdings darüber aus, ob sie eine Anhebung fordert. Ex-Parteichefin Frauke Petry waren solche Schritte bereits zu viel. Kurz nach ihrem Abgang wetterte sie, die Partei entwickle sich unter dem Einfluss von Björn Höcke und Alexander Gauland zu einer »sozialpatriotischen Partei«, die auf Umverteilung setze.
Höcke und mit ihm André Poggenburg sind es, die der AfD ein vermeintlich sozialeres Antlitz verpassen wollen. Ihre beiden Landesverbände Thüringen und Sachsen-Anhalt sind es, die gemeinsam mit Brandenburg besagten Antrag zur sozialen Profilschärfung stellen. In Brandenburg wiederum gibt als Landeschef der Gauland-Unterstützer Andreas Kalbitz den Ton vor. Da passt es, dass der völkische Nationalist Poggenburg in Hannover als Parteivize antritt und Gauland überlegt, als Co-Parteichef neben Jörg Meuthen zu kandidieren, nur um den Berliner Landeschef Georg Pazderski auszustechen. Offiziell geht es Gauland darum, dass einer der beiden Parteichefs Ostdeutschland repräsentieren müsse, wo die AfD bei der Bundestagswahl zweistärkste Partei wurde.
Mit Blick auf den Osten hat die soziale Offensive des völkischen Flügels viel zu tun: Es ist kein Zufall, dass im Frühjahr dieses Jahres von Thüringen aus die Gründung des »Alternativen Arbeitnehmerverbands Mitteldeutschland« (Alarm) befördert wurde, der sich als Interessensvertretung für einkommensschwache Menschen und Arbeiter im Namen der AfD versteht. Dass die AfD mit der »Alternativen Vereinigung der Arbeitnehmer« längst über eine ähnliche Vertretung verfügt, war in Thüringen egal. Im Gegenteil: »Alarm« ist für Höcke vor allem ein Werkzeug im parteiinternen Machtkampf. Ganz gewiss kein Zufall ist es, dass sein früherer Wahlkreisbüroleiter Jürgen Pohl Gründer dieser rechten Gewerkschaft ist. Die versteht sich bisher vor allem als vermeintliche Stimme des Ostens.
Pohl, der seit der Wahl im Bundestag sitzt, präsentierte der noch jungen Fraktion laut »Tagespiegel« diesbezüglich jüngst einen breiten Forderungskatalog, um etwas gegen die »vielfältigen sozialen und ökonomischen Probleme« Ostdeutschlands zu tun. Zu den Vorschlägen gehört neben einer Anhebung des Mindestlohns die Einführung einer »armutsfesten Staatsbürgerrente für Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft und mindestens 35 Arbeitsjahren«. Insbesondere letztere Forderung zeigt, dass die Sorge um die Arbeiter nur den Deutschen gilt. Denn »Alarm« propagiert zum Beispiel auch: »Die Masseneinwanderung ist ein Fehler und bedroht den Wohlstand vom deutschen Arbeitnehmer!«, schrieb die Initiative Mitte Juli bei Facebook. Noch radikaler drückte es Höcke bereits 2016 auf einer 1.Mai-Kundgebung in Schweinfurt aus: »Die neue deutsche Soziale Frage des 21. Jahrhunderts ist die Frage nach der Verteilung des Volksvermögens von innen nach außen.«
Diesen Kurs hat die völkische Rechte seitdem verstärkt verfolgt, wie zuletzt auch bei der »Compact«-Konferenz vor einer Woche in Leipzig zu hören war. Höcke gefällt sich immer stärker in der Rolle des national-sozialen Arbeiterführers. In dieser Erzählung geht es um den Kampf »der Völker« gegen »Globalisten« und das »globale Großkapital«. Das Ziel dahinter ist klar: Die AfD will sich dauerhaft als vermeintliche Stimme der Arbeiter inszenieren. Bei der Bundestagswahl klappte dies erschreckend gut: Etwa jeder Fünfte gab der Rechtsaußenpartei seine Stimme.
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