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Widersprüchliches aus der Wuhlheide

Warum der 1. FC Union mit der Entlassung von Trainer Jens Keller eine erfolgreiche, aber rein professionelle Zweckgemeinschaft auflöst

André Hofschneider ist zurück. Zweifel daran gab es beim 1. FC Union Berlin nie. Sein zwischenzeitlicher Abschied im Sommer 2016 war geplant - mit der Fußballlehrerlizenz kam er zurück und trainierte seit Beginn dieser Saison die A-Jugend des Vereins. Dass der 47-Jährige eines Tages Cheftrainer der Profis werden könnte, spielte in den Überlegungen des Klubs durchaus eine Rolle. Dass er es seit Montag ist, war so nicht geplant, sagt aber Einiges über die Entwicklung des Köpenicker Zweitligisten aus.

Nicht allzu lange ist es her, da hatte Hofschneiders Vorgänger Jens Keller noch gut lachen. »Ich glaube, ich bin der erste Trainer, der entlassen wird, wenn er aufsteigt«, hatte er im Frühjahr gesagt. Da stand der FCU auf den Aufstiegsplätzen, führte die Tabelle zwischenzeitlich sogar an und Keller kritisierte vorschnelle Zufriedenheit und mangelndes Erfolgsdenken im Klub. Am Ende der Saison stand mit Platz vier das beste Zweitligaergebnis der Vereinsgeschichte. Auch jetzt ist Union Vierter, mit 26 Punkten - besser war der Klub bislang nur in der Vorsaison mit Keller.

Es ist also eine ungewöhnliche Trainerentlassung. Schon gar nicht passt sie zu diesem 1. FC Union, wie ihn die meisten kennen und nicht wenige mögen: etwas anders, oft einzigartig und gern mal nur mit halber Geschwindigkeit im Hamsterrad Profifußball unterwegs. Relativ leicht fiel dem Verein die Entscheidung dennoch, weil er mit Keller in einer rein professionellen Zweckgemeinschaft lebte. Mit Hofschneider in der Hinterhand konnte er schnell handeln.

Bei der Begründung der Entscheidung beginnt das Nachdenken. »Mit unserer Spielweise und den Ergebnissen der letzten Wochen werden wir nicht den Ansprüchen gerecht, die wir klar formuliert haben«, sagte Lutz Munack, Geschäftsführer Sport. Das Ziel ist der Aufstieg. Weil es in diesem Jahr ohne klaren Favoriten so einfach ist wie lange nicht mehr? Oder weil sich der Verein mit dem geplanten Stadionausbau und der teuersten Mannschaft der Klubgeschichte wirtschaftlich selbst unter Druck gesetzt hat? Eine Antwort wird wohl nur ein sportliches Scheitern liefern.

Eine Antwort jedenfalls steht fest: Ein Aufstieg ist nicht planbar. Das sagt jeder, den man im Profifußball fragt. Der Vereinsführung um Präsident Dirk Zingler darf man soviel Vernunft zutrauen, dass der 1. FC Union einen Nichtaufstieg überlebt. Die aktuelle Mannschaft wird es in diesem Fall dann aber so nicht mehr geben, ein sportlicher Neuaufbau wäre unumgänglich.

Dirk Zingler hat sich seit Montag noch nicht zu Wort gemeldet. Widersprochen hat er sich jetzt trotzdem. Noch vor zwei Wochen betonte er mehrmals, wie wichtig ihm »Konstanz auf Führungspositionen« im Verein sei. Andere Dinge scheinen noch wichtiger zu sein.

Man muss Jens Keller nicht mögen. Der gebürtige Stuttgarter kommt eher humorlos daher. Als Trainer folgt er in System- und Personalfragen relativ stur seiner Vorstellung. Überraschendes bot die Mannschaft von Union zu selten. Und sie war nicht wirklich in der Lage, auf Neues wie Spielstand oder Umstellungen beim Gegner zu reagieren. Vielen unverständlich war beispielsweise auch das lange Festhalten an Felix Kroos, obwohl seine Leistungen sichtbar abfielen. Oder die zuletzt permanente Nichtberücksichtigung von Steven Skrzybski, obwohl Akaki Gogia dem Spiel auf dessen Position kaum etwas geben konnte. Und nicht zuletzt ist es nie eine gute Basis, wenn sich ein Trainer selbst profilieren will und muss. Das war bei Keller mit dem Gang in die zweite Liga nach seiner Entlassung im Oktober 2014 beim FC Schalke auch der Fall. Aber: Er war, gemessen an Unions sportlicher Vergangenheit, erfolgreich.

Viele Fans werden sich trotzdem freuen, wenn am Sonnabend zum Spiel gegen Dynamo Dresden André Hofschneider als neuer Trainer in der Alten Försterei vorgestellt wird. Er ist ein Unioner. In der Wuhlheide hat er das Fußballspielen gelernt, lief sogar noch in der DDR-Oberliga in den rot-weißen Farben auf und war von 2007 bis 2016 Co-Trainer der Eisernen. Seine Vergangenheit im und seine Verbundenheit zum Verein kann nach innen viel bewirken. Ein gutes Binnenklima und damit eine gestärkte Gemeinschaft sind sehr viel wert. Seine Erfahrungen als Profi mit fast 80 Erstligaspielen, langjähriger Assistenztrainer und zweimaliger Interimscoach des FCU werden ihm sicherlich auch helfen, mit der neuen, großen Verantwortung umzugehen. Dennoch bleibt Hofschneiders Verpflichtung ein Risiko für den Verein - vor dem Hintergrund der erfolgreichen Arbeit seines Vorgängers umso mehr. Die richtige Einstellung hat er jedenfalls. »Das Maximalziel ist, mit Union in der Bundesliga zu spielen«, sagte er vor seinem zwischenzeitlichen Abschied im Mai 2016.

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