• Politik
  • Kongress der Sozialistischen Partei Europas

Europäische Sozialdemokraten wollen sich breiter aufstellen

SPE strebt für Europawahl 2019 Schulterschluss aller »progressiven« Parteien an

  • Andreas Herrmann, Lissabon
  • Lesedauer: 3 Min.

Geht es nach dem portugiesischen Ministerpräsidenten António Costa, kann es in Deutschland ruhig eine große Koalition geben. »Für Europa wäre eine Regierungsbeteiligung der SPD von Vorteil«, sagte er am Sonntag beim Kongress der Sozialistischen Partei Europas (SPE) in Lissabon. Hier hatten sich am Wochenende im Pavilhão Carlos Lopes die Vertreter von 32 sozialdemokratischen und sozialistischen Parteien sowie Arbeiterparteien aus der gesamten Europäischen Union und aus Norwegen getroffen. Mit dabei waren auch weitere assoziierte Parteien aus anderen europäischen Ländern sowie der Türkei.

Die Wahl von Lissabon als Tagungsort kam nicht von ungefähr. Die kriselnde Sozialdemokratie Europas ist stolz auf ihr südliches Mitgliedsland, wo die sozialistische Minderheitsregierung mit Unterstützung des »Linken Blocks«, der Kommunisten und der Grünen Erstaunliches beim Spagat zwischen Schuldenkrise und sozialem Fortschritt geleistet hat. Dass am Montag mit Mario Centeno, der unabhängiges Mitglied der Parlamentariergruppe der Partido Socialista im Lissaboner Parlament ist, nun auch noch Angela Merkels Wunschkandidat zum Chef der Eurogruppe gewählt wurde, zeugt von Schulterschlüssen, wie sie allerdings wohl nur in Europa möglich sind.

Vor rund 500 Delegierten und Parteiaktivisten wurde dazu am Sonntag eine bemerkenswerte Resolution verabschiedet. In dieser heißt es unter anderem, dass alle »progressiven« Parteien besser zusammenarbeiten müssten. Das habe in der Vergangenheit funktioniert und trage auch heute in Portugal Früchte. Die SPE sei aufgefordert zu beweisen, dass sie einen Paradigmenwechsel realisieren kann - weg von blinder Austeritätspolitik hin zu Investitionen, Wachstum, Solidarität und dem Schutz benachteiligter Bürger.

Nicht zuletzt deshalb haben die Delegierten in Lissabon auch beschlossen, für die Europawahl 2019 transnationale Listen aufzustellen – allerdings nicht einstimmig. Bei der Diskussion darüber gab es heftige Rede und Widerrede zwischen pro-europäischen Italienern und Franzosen auf der einen sowie Dänen und Niederländern auf der anderen Seite. Außerdem, so Udo Bullmann, stellvertretender Vorsitzender der deutschen Sozialdemokraten im EU-Parlament, ließe sich das ohnehin nicht realisieren, weil zur Reform der EU-Wahlgesetze ein einstimmiger Ratsbeschluss erforderlich ist. Durchsetzbar ist der nicht.

Hintergrund für die Diskussionen bei Europas Sozialisten war allerdings auch die Frage, ob die 73 nach dem Brexit frei werdenden Plätze im Europäischen Parlament nicht mit europaweit antretenden Kandidaten besetzt werden könnten. Immerhin soll es aber so wie 2014 auch bei einem gemeinsamen Spitzenkandidaten für die Präsidentschaft der EU-Kommission bleiben. Dieser SPE-Initiative waren 2014 vier weitere politische Parteien gefolgt. Allerdings wurde damals nicht Martin Schulz, sondern Jean-Claude Juncker von der Europäischen Volkspartei (EVP) Kommissionspräsident.

2019 möchte die SPE hier weiter gehen und zielt darauf ab, eine Koalition progressiver und pro-europäischer Kräfte im neuen Europaparlament aufzubauen, die gemeinsam für den SPE-Kandidaten stimmt. Feststehen soll der oder die gegen Ende 2018, wenn wieder SPE-Kongress ist. Beobachter werten das als Hinweis, dass die SPE sich nun auch nach Partnern umschauen wird, die sie bisher nicht akzeptiert hat.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.