Großversuch am »Silbersee«
Sachsen-Anhalt: Das kontaminierte Tagebauloch bei Bitterfeld soll saniert werden
Bitterfeld. 25 Hektar war die Grube groß, gefüllt mit 2,3 Millionen Kubikmetern trügerisch silbern glänzenden Abfällen - und das nur wenige Meter von einer Wohnsiedlung entfernt. »Am schlimmsten war der penetrante Gestank nach faulen Eiern. Heute kein Vergleich mehr«, sagt ein Rentner. Er blickt dabei auf das von hohen Bäumen und Sträuchern umzäunte und gesicherte Gelände des Bitterfelder »Silbersees«.
Vor 25 Jahren begann in Bitterfeld-Wolfen im Süden Sachsen-Anhalts »eines der anspruchsvollsten ökologischen Projekte zur Umweltsanierung in Deutschland«, wie Harald Rötschke sagt. Der Chef der MDSE Mitteldeutsche Sanierungs- und Entsorgungsgesellschaft mbH (Bitterfeld-Wolfen) steht dabei auf einem Teil des im Volksmund als »Silbersee« bezeichneten Areals, der früheren Braunkohlegrube »Johannes«. Dort wird auf einer Länge von knapp 200 Metern derzeit an einer neuen Variante gearbeitet, das kontaminierte Tagebauloch im Zuge eines großtechnischen Versuchs mithilfe von speziellen Schlacken und schwerer Technik zu sanieren. Eine Generationenaufgabe, wie es für den Laien scheint. Die Firma MDSE ist mit 64 Deponien und rund 1400 Hektar Fläche nach eigenen Angaben eine der größten ihrer Art in Deutschland.
Nach Erkenntnissen von Experten des Umweltbundesamtes (UBA) gibt es in Deutschland viele Ablagerungen, die in etlichen Jahrzehnten Industriegeschichte entstanden sind. Erfasst sind den Angaben zufolge rund 260 000 altlastenverdächtige Flächen in den 16 Bundesländern. Davon sind schätzungsweise 70 000 sogenannte Altablagerungen.
Der »Silbersee« sei darunter ein besonderer Fall, erklärt Bernd Engelmann, Experte für Deponien und Altlasten beim Umweltbundesamt in Dessau-Roßlau. Mit dem Ende der Braunkohleförderung ab 1930 waren silbern glänzende Abfälle, Abwässer, schwermetall- und schwefelhaltige Schlämme aus der Ex-Filmfabrik Wolfen mehr oder weniger unkontrolliert in die Grube »Johannes« eingeleitet worden, besonders zu DDR-Zeiten, erklärt Rötschke. Diese Altlasten wurden mit anderen Industrieabfällen des rund 130 Jahre alten Chemiestandorts vermischt. Organische Schlämme gärten Jahrzehnte vor sich hin. Dabei wurden große Mengen an Schwefelwasserstoff freigesetzt. Dies führte zu massiven Geruchsbelästigungen, so Rötschke. Die Menschen in der Region klagten über Reizungen der Atemwege.
Heute gehen laut Magdeburger Umweltministerium keine unmittelbaren Gefahren von der früheren Grube »Johannes« aus. Die Messwerte von Gasen aus der Grube lägen inzwischen dauerhaft unter den WHO-Grenzwerten. Bitterfeld-Wolfen erfuhr nach 1990 zudem einen radikalen Strukturwandel in der Industrie. Dreckschleudern wurden stillgelegt, aber auch Tausende Menschen wurden deshalb arbeitslos.
Die Umwelt ist jedoch sichtlich gesundet, die Infrastruktur wurde mit Steuergeldern saniert, moderne Betriebe entstanden. Und die Sanierung von Deponien und Abfallgruben wurde in Angriff genommen. Der größte Anteil an den Sanierungskosten im Gesamtprojekt fällt laut Umweltministerium auf die langfristige Grundwassersanierung. Auch die Geruchsbelästigung wurde eingedämmt. Ziel am »Silbersee« ist es laut Rötschke, dass das Areal als Erholungsgebiet genutzt werden kann. dpa/nd
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