Glyphosat ist nicht das einzige Gift
Die Umweltschützer vom BUND wollen das Zulassungsverfahren für Pestizide ändern
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) fordert eine umfassende Neuordnung des Zulassungsverfahrens für Pestizide. Die erneute Verlängerung der Zulassung von Glyphosat um fünf Jahre habe »die Defizite des bisherigen Verfahrens eindrücklich belegt«, so der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger am Mittwoch in Berlin. Da die krebsauslösende Wirkung dieses Pestizids zwar nicht eindeutig belegt, aber eben auch nicht ausgeschlossen sei, müsse in derartigen Fällen das Vorsorgeprinzip gelten. Zumal die verheerenden Wirkungen von Glyphosat auf Artenvielfalt und Ökosysteme unbestritten seien.
Dennoch ist die Entscheidung des EU-Ministerrats für Weiger keine Überraschung. Denn sowohl die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) als auch das in Deutschland zuständige Bundesin-stitut für Risikobewertung (BfR) hätten in ihrer Expertise Studien des US-amerikanischen Glyphosat-Produzenten Monsanto »teilweise wortgleich übernommen«, während Studien anderer Gutachter als »unzuverlässig« eingestuft wurden, kritisierte der Umweltschützer. Das unter der Federführung des Landwirtschaftsministeriums arbeitende In-stitut habe damit zum wiederholten Male »als Vorposten der Chemiekonzerne agiert«.
2018 steht eine Überarbeitung der EU-Pflanzenschutzverordnung an, die auch den Zulassungsprozess für Pestizide regelt. Der BUND fordert, dass dabei festgelegt wird, dass die Zulassungsprüfungen nicht mehr von den antragstellenden Firmen, sondern ausschließlich von unabhängigen In-stituten durchgeführt werden, die ihre »Konzernferne« nachprüfbar dokumentieren müssen. Zudem müssten alle zur Bewertung herangezogenen Studien öffentlich gemacht werden. Die EU-Kommission hat am Dienstag bereits angekündigt, dass das Verfahren künftig transparenter sein soll. Sie reagierte damit nach eigenem Bekunden auf eine europäischen Bürgerinitiative. Frans Timmermans, Erster Vizepräsident der Kommission, bezeichnete es als »großartig, dass über eine Million EU-Bürgerinnen und -Bürger sich Zeit nehmen und sich direkt in dieses wichtige Thema einbringen«. An der Bewertung von Glyphosat als nicht krebserregend hält die Kommission allerdings fest.
Zwar sei die Glyphosat-Zulassung auf nationaler Ebene nicht komplett zu kippen, dennoch hätten sowohl der Bund als auch die Kommunen weitgehende Eingriffsmöglichkeiten, erläuterte Weiger. Verboten werden könnten der private Gebrauch und die Vor-Ernte-Spritzung. Zudem könnten erweiterte Pufferzonen für geschützte Flächen festgelegt werden. Möglich sei auch ein Ausstieg aus der Zulassung nach drei Jahren unter Berufung auf eine nationale Schutzklausel - ein Weg, den Frankreich bereits angekündigt hat. Kommunen könnten zudem durch Satzungen den Einsatz von Glyphosat auf öffentlichen Grundstücken verbieten. Eine entsprechende Initiative wird derzeit von über 100 Städten und Gemeinden unterstützt.
Maßnahmen im Bereich des Verbraucherschutzes könnten Weiger zufolge ebenfalls etwas bewegen, wie bereits am Beispiel der Gentechnik deutlich wurde. Denkbar wäre ein Lebensmittellabel, das den Verzicht auf Glyphosat beim Anbau der verwendeten Grundstoffe garantiert.
Auch im Bundestag war Glyphosat am Dienstag ein Thema. Die Fraktionen der SPD, der FDP, der LINKEN und der Grünen legten jeweils Anträge zur ersten Beratung vor, die nach der Debatte an den Hauptausschuss überwiesen wurden. Während die LINKE einen Gesetzentwurf zum nationalen Verbot des Pestizids fordert, verlangen die Grünen einen »Ausstiegsplan im Schulterschluss mit Frankreich«, sowie sofortige, umfassende Restriktionen für die Anwendung in der Zwischenzeit. Eine ähnliche Zielrichtung hat der Antrag der SPD. Einig sind sich die drei Fraktionen auch in der Forderung nach dem Verbot sogenannte Neonikotinoide, einer Wirkstoffgruppe, die zur Insektenvernichtung eingesetzt wird und als maßgeblicher Faktor für das dramatische Bienensterben in Europa gilt.
Redner der Unionsparteien verteidigten in der Debatte den Einsatz von Glyphosat. CDU-Politiker Hermann Färber warnte vor »Panik« wegen möglicher Gesundheitsgefahren: Außerdem sei der Eingriff in die Natur »erheblich größer«, wenn Bauern auf Glyphosat verzichteten würden und stattdessen Felder pflügten.
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