• Berlin
  • Urteil wegen Vermummung

Schutz durch Selbstschutz

Demonstrationssanitäter wurde wegen Vermummung und Passivbewaffnung verurteilt

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.

Sind Sanitäter Teilnehmer einer Demonstration? Um diese Frage ging es am Mittwoch vor dem Amtsgericht Tiergarten. Angeklagt war ein sogenannter Demo-Sanitäter, der bei Protesten gegen eine rechte »Merkel muss weg«-Demonstration im November 2016 Erste Hilfe geleistet hatte. Dabei trug er eine orangefarbene Warnweste, einen Helm und eine Atemschutzmaske. Die Staatsanwaltschaft warf ihm daher einen Verstoß gegen das Vermummungs- (Atemmaske) und das Schutzwaffenverbot (Helm) vor.

Demo-Sanitäter sind Ersthelfer, Sanitäter oder Ärzte. Gruppen wie die »Riot Medics Berlin« und die »Leftwing Demonstration Medics« agieren meist zu sechst. Sie halten sich mitten in oder am Rande einer Demonstration auf und helfen beispielsweise, wenn Teilnehmer der Protestveranstaltungen Pfefferspray abbekommen haben. »Wir verstehen uns nicht als Teil der Demonstration«, sagte der Angeklagte am Mittwoch vor Gericht. »Wir wollen nicht unsere Meinung kundtun, sondern einzig verletzte Menschen versorgen.«

Das sei aber nicht ungefährlich. Um den Teilnehmern zu helfen, müssten die Sanitäter sich nahe des Geschehens aufhalten, dabei könne es sein, dass sie beispielsweise Wurfgeschosse oder Pfefferspray abbekämen. Deshalb seien sie auf Schutzkleidung angewiesen. »Die Kleidung schützt uns und die Patienten«, sagte der Angeklagte. Zum einen seien die Sanitäter durch die orangefarbenen Westen für potenzielle Patienten und die Polizei erkennbar. Zum anderen müssten sie dafür sorgen, selbst unverletzt zu bleiben, um die Demonstrationsteilnehmer behandeln zu können.

»Wir sehen uns nicht als Ersatz oder Konkurrenz zu dem regulären Rettungsdienst, sondern als Ergänzung«, sagte der Angeklagte. Im Anschluss an die Verhandlung erklärten andere Demo-Sanitäter, die den Prozess begleitet hatten, dass Rettungsdienste wie das Rote Kreuz oder die Johanniter an vielen Demonstrationen gar nicht teilnähmen, weil sie ihnen zu gefährlich erschienen. Wenn die Demo-Sanis nicht ehrenamtlich in ihrer Freizeit auf Demonstrationen gingen, gäbe es gar keine Erste Hilfe vor Ort.

Die Anwältin des Angeklagten argumentierte, das Vermummungsverbot gelte nur für Teilnehmer von Demonstrationen. Das seien Sanitärer aber nicht. Ihre Anwesenheit diene einem anderen Zweck als der Meinungskundgebung, somit seien sie gleichzusetzen mit Verkäufern bei Ständen am Rande von Protestveranstaltungen und mit Polizisten, für die das Vermummungsverbot ja auch nicht gelte.

Die Richterin war anderer Meinung. Wer als Demo-Sanitäter zu Versammlungen gehe, wolle sich politisch engagieren und sei daher auch Demonstrationsteilnehmer. Die Teilnahme von Sanitätern an Demonstrationen »fördert natürlich auch die Gewaltbereitschaft von Demonstranten«. Wenn der Angeklagte sich als Ersthelfer engagieren wolle, solle er doch bitte zum Roten Kreuz gehen. Die Richterin erklärte den Angeklagten darüber hinaus des Widerstands gegen einen Vollstreckungsbeamten und der versuchten Gefangenenbefreiung für schuldig. Polizisten hatten ausgesagt, in einer unübersichtlichen Situation während einer Sitzblockade habe der Angeklagte einen Polizisten gestoßen und an der Schulter gezogen, der gerade dabei war einen Demonstranten festzunehmen. Das habe dazu beigetragen, dass dieser sich befreien konnte. Insgesamt verhängte die Richterin ein Strafmaß von 50 Tagessätzen.

Der Angeklagte stritt die Vorwürfe ab. Seine Anwältin will gegen die Entscheidung Rechtsmittel einlegen. Sollte das Urteil Bestand haben, könnte ein Präzedenzfall geschaffen werden. Anwesende Demo-Sanitäter klagten, das Urteil mache ihre Arbeit unmöglich.

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