Geschäftsmann löst Sänger ab

Cyril Ramaphosa wird anstelle von Jacob Zuma neuer Vorsitzender des ANC in Südafrika

  • Christian Selz, Kapstadt
  • Lesedauer: 4 Min.
Kurz bevor am Montagabend der Vorsitzende der parteiinternen Wahlkommission ans Mikrofon trat, bestieg Jacob Zuma noch einmal die Bühne. Seine Abschiedsrede hatte der scheidende Präsident der Regierungspartei Afrikanischer Nationalkongress (ANC) bereits am Vortag gehalten, nun sang er nur noch, zwei Lieder aus dem Anti-Apartheid-Kampf.

»Bringt mir mein Maschinengewehr«, der Refrain des Songs, den Zuma in den vergangenen zehn Jahren zu seinem Markenzeichen gemacht hatte, waren so seine letzten Worte als ANC-Chef. Wirklich Stimmung konnte der Vortänzer mit seinem Schwanengesang unter den knapp 5000 Delegierten beim Wahlparteitag in Johannesburg aber auch damit nicht mehr erzeugen. Zuma war entwaffnet, was Minuten später auch offiziell verkündet wurde: Das Rennen um seine Nachfolge hat sein Kontrahent Cyril Ramaphosa knapp gegen Zumas Wunschkandidatin Nkosazana Dlamini-Zuma, seine ehemalige Ehefrau, gewonnen. Ramaphosa bekam 2440 Delegiertenstimmen, Dlamini-Zuma, 2261.

Eine völlige Entmachtung konnte der Zuma-Flügel innerhalb des ANC aber dennoch verhindern. Mit David Mabuza, dem Premierminister der Provinz Mpumalanga, und Ace Magashule, der die gleiche Position in der Provinz Free State innehat, stellt die Fraktion um den Ex-Parteichef künftig den Vizepräsidenten und den Generalsekretär, auch die stellvertretende Generalsekretärin Jessie Duarte gilt als Zuma-Loyalistin. Im sechsköpfigen Entscheidungsgremium, dem neben Ramaphosa des Weiteren die Zuma-Kritiker Gwede Mantashe (Parteivorsitzender) und Paul Mashatile (Schatzmeister) angehören, ergibt sich so ein ausgewogenes Kräfteverhältnis. Es ist damit nicht unwahrscheinlich, dass Zuma der wegen unzähliger Korruptionsaffären in der Kritik steht, sein Amt als Staatschef noch bis zu den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen 2019 behalten wird.

Der Ausgang des Parteitags, so knapp die Ergebnisse auch durchweg waren, ist ein Kompromiss. Der ANC verhindert damit zunächst eine weitere Spaltung. Die war in den vergangenen Wochen offensichtlich geworden, denn der Kampf um die Posten - und damit um politischen und ökonomischen Einfluss - war ein brutaler. Dutzende politische Morde, bei denen oft sowohl Täter als auch Verdächtige innerhalb der Partei zu finden waren, erschütterten Südafrika. Welch trauriges Bild die einstige Befreiungsbewegung inzwischen abgibt, illustrierte Polizeiminister Fikile Mbalula, der vor einer Woche ein Foto von zwei Taschen voller Geld auf Twitter veröffentlichte. 2,5 Millionen Rand (166 000 Euro) hätten seine Beamten sichergestellt, erklärte er, angeblich sollten damit auf dem Parteitag Stimmen gekauft werden. Mit dem Vorwurf konfrontiert, dass das Foto sieben Jahre alt war, sprach Mbalula - selbst einflussreiches ANC-Mitglied und Anhänger des Zuma-Lagers - von einem »Symbolbild«, blieb aber ansonsten bei seiner Version.

Es sind auch solche Aktionen, die den als Saubermann posierenden neuen Parteipräsidenten Ramaphosa als strahlenden Ritter dastehen lassen. Wirkliche Gründe dafür hat der Mann, der nun 2019 Präsidentschaftskandidat des seit dem Ende der Apartheid 1994 regierenden ANC werden wird, bisher allerdings kaum geliefert. Freilich, anders als Zuma hat Ramaphosa nicht im Zusammenspiel mit dubiosen Geschäftsleuten die Staatskasse geplündert. Stattdessen ist der einstige Chef der Bergarbeitergewerkschaft National Union of Mineworkers (NUM) im Zuge der Förderung schwarzer Geschäftsleute zum Großaktionär bei westlichen Unternehmen wie dem Platin-Riesen Lonmin aufgestiegen. Der Milliardär war dort zuständig für die Kontrolle der Sozialprogramme, musste nach dem Massaker von Marikana 2012 aber öffentlich eingestehen, dass er entscheidende Berichte nie gelesen hatte. Ramaphosa war »entgangen«, dass der Konzern, an dessen Gewinnen er selbst verdiente, statt der versprochenen 5000 Häuser für seine in Blechhütten dahinvegetierenden Arbeiter, lediglich ganze drei gebaut hatte. Als die Kumpel dann streikten, forderte er die Polizei persönlich zu einem entschiedenen Durchgreifen auf. Tags darauf lagen 34 Arbeiter tot im Staub, erschossen aus halbautomatischen Gewehren. Wenige Monate später machte ihn der ANC zum Vizepräsidenten in Staat und Partei.

Der neoliberalen südafrikanischen Presse gilt Ramaphosa als nicht korrumpierbarer erfolgreicher Geschäftsmann. Der Lobbyverband der Bergbaubranche hat den Ausgang des ANC-Parteitags bereits »begrüßt«. Ansonsten speiste sich seine Kampagne vor allem aus der Ablehnung des korrupten Systems Zuma. Selbst der Gewerkschaftsbund COSATU und die kommunistische Partei SACP, die beiden Allianzpartner des ANC, schlugen sich auf die Seite Ramaphosas. Mit einer ähnlichen Feind-meines-Feindes-Strategie hatten sie vor zehn Jahren schon Jacob Zuma an die Macht gebracht und diesen Fehler in der Folge öffentlich bereut. Immerhin: Von Maschinengewehren sang Ramaphosa am Montag nicht. Kommentar Seite 4

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