Späte Spannung

Die Münchner gehen nach dem Sieg gegen Dortmund im DFB-Pokal sehr selbstbewusst in die zweite Saisonhälfte, der BVB bleibt kleinlaut

  • Maik Rosner, München
  • Lesedauer: 4 Min.
Thomas Müller hatte es erkennbar eilig mit dem Beginn der wohlverdienten Ferien. Zügigen Schrittes verließ er den Kabinengang der Münchner Arena. In der Interviewzone dahinter machte der Nationalspieler des FC Bayern zwar Halt, doch mehr als ein paar kurze Einschätzungen zum Spiel, ein Hinrundenfazit und ein Ausblick auf die Rückrunde im Jahr 2018 wollte er nicht hinterlassen. »Drei Kracher krieg ich nicht mehr raus«, sagte der 28-Jährige.

Wenn Müller, sonst um keinen Spruch verlegen, sich nicht mehr zu einer launige Anmerkung im Stande sieht, obwohl er gerade sein erstes Pokaltor dieser Saison zum 2:1 (2:0)-Achtelfinalsieg gegen Borussia Dortmund beigesteuert hat, dann müssen er und der FC Bayern wirklich urlaubsreif sein. »Ein gelungener Abschluss. Wir blicken positiv ins neue Jahr«, befand er kurz und sprach von »Top-Voraussetzungen«. Vorerst gelten seine Gedanken allerdings nur der privaten Weihnachtsagenda. »Jetzt erholen wir uns«, hielt Müller im Tonfall einer amtlichen Mitteilung fest.

Ähnlich klang das bei vielen seiner Kollegen, die am Mittwochabend in einer furiosen ersten Halbzeit regelrecht über den BVB hinweggefegt waren und dabei nur versäumt hatten, mehr als die Tore von Jérôme Boateng (12.) und Müller (40.) zu erwirtschaften. Durch dieses »große Manko«, wie Trainer Jupp Heynckes kritisierte, kam spät doch noch Spannung auf im Prestigevergleich zwischen dem Rekordpokalsieger Bayern und dem Titelverteidiger Dortmund. Nachdem Andrej Jarmolenko auf 2:1 verkürzt hatte, wäre dem eingewechselten Alexander Isak, 18, in der Nachspielzeit beinahe noch der Ausgleich geglückt. »Dann machst du eher den Schritt zurück und verschiebst ein bisschen«, erklärte Müller, wieso im letzten Spiel des Jahres ein zunächst hochüberlegener Vortrag in eine zittrige Schlussphase gemündet war. »Das macht eine 2:0-Führung ein bisschen mit einem«, sagte Müller.

Abgesehen von dieser finalen Labilität war der Auftritt der Münchner aber zu einer nationalen Machtdemonstration geraten, bei der die Dortmunder Glück und Torwart Roman Bürki hatten, der bei den vielen Chancen ein Debakel vor der Pause verhinderte. »Ein sehr leichtes Spiel für Bayern« sei das zunächst gewesen, monierte Sportdirektor Michael Zorc. Als Ziel für die Mannschaft des neuen Trainers Peter Stögers gab er betont zurückhaltend aus: »Wir wollen uns weiter stabilisieren.« Schließlich habe man unter dessen Vorgänger Peter Bosz »eine richtige Delle gehabt«, erinnerte Zorc. Sein Ausblick auf 2018 klang insgesamt wenig euphorisch: »Wir haben sehr, sehr viel Arbeit vor uns.«

Das gilt durchaus auch für die Bayern, die allerdings über den Vorteil verfügen, sich ihren nationalen Zielen schon nahe fühlen zu dürfen und ihre Kräfte für Europa bündeln zu können. In der Bundesliga stehen sie mit elf Punkten Vorsprung auf den Tabellenzweiten FC Schalke 04 sehr souverän ganz oben. Im Pokal haben sie nach RB Leipzig nun auch den langjährigen Hauptkonkurrenten Dortmund auf dem Weg ins Viertelfinale hinter sich gelassen. Der Weg zum Double scheint ziemlich frei.

International wartet im Achtelfinale der Champions League mit Besiktas Istanbul ebenfalls ein Außenseiter. Das wissen auch die Bayern, trotz aller pflichtgemäßen Warnungen ihres Trainers. Doch Präsident Uli Hoeneß hatte schon vorab für den Fall eines Sieges gegen Dortmund einen schönen Lenz in Aussicht gestellt. »Wenn bei uns alle Spieler gesund bleiben, dann wollen wir mal schauen, was im Frühjahr passiert«, hatte er bereits am Samstag bei einem Fanklub-Besuch frohlockt und angekündigt: »Ihr könnt auf einiges gefasst sein.« Darauf hofft auch Sportdirektor Hasan Salihamidzic. »Wir wollen natürlich immer alles, aber eins nach dem anderen«, sagte er.

Die Zwischenbilanz unter Heynckes von 15 Siegen in 16 Spielen erscheint jedenfalls vielversprechend. »Das ist für die Mannschaft und den Klub eine überragende Bilanz«, befand der Trainer und lobte sich damit auch ein wenig selbst. »Was die Jungs in den letzten Monaten geleistet haben, ist schon groß«, bilanzierte Salihamidzic und attestierte auch Rückkehrer Heynckes, 72, eine »große Leistung«. So soll es 2018 weitergehen, dann mit Hoffenheims Nationalstürmer Sandro Wagner, dessen Wintertransfer als Notfallersatz für Robert Lewandowski am Donnerstag offiziell bestätigt wurde. Bei zwölf Millionen Euro plus erfolgsabhängiger Zuschläge soll die Ablöse liegen, Wagner erhält einen Vertrag bis 2020.

Für weitere internationale Erfolge, das ahnen aber auch die Münchner, werden sie zulegen müssen. »Wir haben noch Luft nach oben. Das wissen wir auch«, sagte Torwart Sven Ulreich. Erst einmal nahmen er und seine Kollegen den Trainerauftrag bis zum Beginn der Vorbereitung am 2. Januar aber gerne entgegen. Er lautete: »Durchschnaufen!«

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