Zum Fest fristlos gekündigt
Mieter in Neukölln glauben, dass Hausbesitzer wegen Hostel-Schließung Ärger macht
Bis Ende dieses Jahres soll Carsten Müller, dessen Name auf Wunsch für diesen Artikel geändert wurde, seine Wohnung in der Weserstraße 207 in Neukölln verlassen. Er hat bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr eine Kündigung für die von ihm bewohnten Mieträume bekommen. Wie ihm geht es nach seiner Aussage »drei bis vier« Mietparteien des Hauses im Szenekiez Nord-Neukölln, das dem Immobilienunternehmer Alexander Skora gehört, der bereits mehrfach durch seine Art im Umgang mit bezirklichen Regelungen im Zusammenhang mit seinen Immobilien aufgefallen ist (»nd« berichtete).
»Ich habe Familie und Kinder, genau wie andere betroffene Mieter«, sagt Müller. Ein Auszug in wenigen Tagen vor Weihnachten zieht einem erst mal den Boden weg, beschreibt er die Situation. Formal geht es in der Kündigung um den Zugang zu einem Dachraum, den er mit gemietet hatte, um Dachschäden auszubessern. Müller habe die Dacharbeiten »mutwillig aufgehalten«, so heißt es in der Kündigung, außerdem sei er »als Mieter so nicht weiter tragbar« und sein Verhalten verstoße gegen »jegliche sozialen Gepflogenheiten«. Außerdem habe er Öffentlichkeitsarbeit gegen den Vermieter betrieben.
Müller ist sich hingegen keiner Schuld bewusst. Er habe »Termine zur Übergabe von Schlüsseln für den Dachboden angeboten«, außerdem sei der »Dachboden für den genannten Termin und für die Beseitigung der Schäden am undichten Dach geöffnet worden«. Dass die angeführten Gründe für eine Kündigung ausreichen, bezweifelt Müller nach einem Besuch beim Miet-Rechtsanwalt. Nun vermutet er, dass der Vermieter Skora, nachdem sein Fantastic Foxhole Hostel im gleichen Haus Mitte Oktober vom Bezirk Neukölln geschlossen wurde, die Mieter mitverantwortlich macht. Bereits nach der Kündigung im Mai habe der Vermieter das Vorgehen als »Warnschuss« bezeichnet, so Müller. In der Kündigung einer anderen Mietpartei geht es um abgeschliffene Dielen und illegale Untervermietung. Auch das sei haltlos, bekräftigt der Mieter, da der Vorbesitzer ihm die Erlaubnis zur Untervermietung erteilt habe.
Von Alexander Skora, der auch die Hausverwaltung betreibt, war bis Redaktionsschluss kein Statement zu dem Vorgang zu bekommen - weder telefonisch noch schriftlich. Das Fantastic Foxhole Hostel war Anfang des Jahres mit 33 Betten eröffnet worden. Mieter fühlten sich in ihrem Ruhebedürfnis gestört und versuchten sich gegen den Betrieb des Hostels zu wehren.
Betreiber Hagen Wittenborn weigerte sich schließlich, eine vom Bezirk geforderte Genehmigung einzuholen und beharrte darauf, dass keine Nutzungsänderung vorliege. Dieses Verhalten führte letztendlich zur polizeilichen Schließung der Räumlichkeiten am 10. Oktober dieses Jahres. Seitdem stehen die Räume leer. Auch in anderen Bezirken gibt es Probleme mit Bezirksämtern bei Immobilien in Skoras Hand. So streitet er sich mit dem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf um die bunte Hausfassade des »Happy Go Lucky«-Hostels am Stuttgarter Platz, die er von einem Künstler ohne Genehmigung malen ließ. Das Bezirksamt sah »unzulässige Werbung« und forderte die Entfernung oder eine kostenpflichtige Eintragung im Grundbuch. Skora: »Wenn graue und beigefarbene Häuser hier in Berlin der Gradmesser sind, ist das ein Armutszeugnis für die international so weltoffene und kreative Metropole.«
Carsten Müller, der sich als eine Art Sprecher der Mieter versteht, sorgt sich indessen um den baulichen Zustand des Hauses. »Putz bröckelt von der Fassade, das ist bauaufsichtlich relevant, nach wie vor ist das Dach nicht repariert und Wasser rinnt durch defekte Regenrohre an der Fassade hinunter.« Er hält durchaus eine Einigung mit dem Vermieter für möglich. »Wir wollen nur in Ruhe hier wohnen, dann gibt es auch kein Problem. Wir sind gesprächsbereit«. Die Kündigungsfrist wird er auf Anraten seines Anwalt ohne Auszug verstreichen lassen. Entspannte Feiertage sehen wohl anders aus.
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