Wer will, kann umverteilen

2017 war ein Jahr der Debatten über Steuervermeidung und Steuerpolitik

  • Sarah Godar
  • Lesedauer: 4 Min.

Seit Neuestem ist jedes Jahr ein Jahr der Steuerpolitik - so war es auch 2017. Zu einem Jahr der Steuerpolitik gehören ein ordentlicher Skandal, bedrückende neue Statistiken über die Kosten der Steuerflucht, politische Maßnahmen zu ihrer Eindämmung, deren Verwässerung durch konservative und wirtschaftsnahe Kräfte und dann kurz vor Weihnachten die Forderung der Wirtschaftsverbände, doch endlich wieder die Unternehmenssteuern in Deutschland zu senken, da dem Wirtschaftsstandort Deutschland sonst der Untergang drohe. 2017 können wir ein Häkchen hinter jedes Kästchen setzen. Was davon nehmen wir mit ins neue Jahr?

Wer besteuern will, kann es auch tun. 2017 wurde eine Reihe sinnvoller Maßnahmen zur Eindämmung der Steuerflucht diskutiert und zum Teil beschlossen. Zwei große auf EU-Ebene vorangetriebene Reformprojekte waren die öffentliche länderbezogene Berichterstattung für multinationale Konzerne und das Register der wirtschaftlichen Firmeneigentümer im Zuge der vierten und fünften EU-Anti-Geldwäsche-Richtlinie. Mit der öffentlichen länderbezogenen Berichterstattung würden Konzerne dazu verpflichtet, Daten wie Gewinne, Umsätze und Steuerzahlungen für jedes Land, in dem sie aktiv sind, in einem separaten Bericht zusammenzufassen. Bisher geschieht dies nur für einzelne Konzerntöchter oder in der über Ländergrenzen hinweg aggregierten Konzernbilanz. Mit detaillierteren Berichten ließe sich besser erkennen, ob die gezahlten Steuern in einem realistischen Verhältnis zur Aktivität des Konzerns in den einzelnen Ländern stehen. Der jetzige Vorschlag des EU-Parlaments gilt leider nur für Konzerne ab 750 Millionen Euro Umsatz und schließt damit eine Großzahl von Firmen von der Berichtspflicht aus. Zusätzlich haben Konservative und Liberale eine Ausnahmeregel für »sensible Geschäftsinformationen« eingebracht, was zu einer deutlichen Verwässerung führen könnte, je nachdem, wie großzügig das ausgelegt wird.

Ein Erfolg von 2017 ist, dass die fünfte Anti-Geldwäsche-Richtlinie vorschreiben wird, dass die nationalen Register der wirtschaftlichen Eigentümer von Firmen öffentlich zugänglich werden. Die deutsche Regierung war in der Frage zuletzt gespalten gewesen. Die nun auf EU-Ebene durchgesetzte öffentliche Zugänglichkeit wird es zivilgesellschaftlichen Akteuren sowie Steuerbehörden aus ärmeren Ländern erleichtern, komplizierte Firmenkonstruktionen, die der Vertuschung von Eigentumsverhältnissen dienen, aufzudecken. Als deutlicher Mangel bleibt aber bestehen, dass etwa Zahlungsinstitute und Vermögensverwaltungen im Falle von mehrschichtigen Strukturen auch zwischengeschaltete Eigentümer an das Register melden können, wenn der letzte indirekte Eigentümer der Kette nicht ermittelbar ist. Stattdessen sollten sie verpflichtet werden, die fehlenden Informationen zu besorgen oder das Geschäft mit solchen quasi anonymen Firmen einzustellen.

Mit der Lizenzschranke beschloss die deutsche Regierung 2017 auch eine Maßnahme zur Eindämmung von Steuerflucht. Die Lizenzschranke soll es multinationalen Firmen erschweren, ihren steuerlichen Gewinn mithilfe von künstlich aufgeblähten Lizenzzahlungen kleinzurechnen. Sie kann als nationale Abwehrmaßnahme gegen die in der EU zunehmend verbreiteten Patentboxregime gewertet werden, die im Steuerrecht eine Sonderbehandlung von Einnahmen aus Patenten verankern und diese niedriger besteuern.

Die Vielzahl der Maßnahmen zeigen, dass politisch etwas in Bewegung gekommen ist und dass sich einiges erreichen lässt, wenn eine Regierung es nur will. Was in der öffentlichen Debatte gerne als »die unzähmbaren Kräfte der Globalisierung« beschworen wird, ist in Wirklichkeit eine klare Weigerung seitens konservativer und wirtschaftsnaher Kräfte, wirksame Regulierungen vorzunehmen, denn die könnten ja »die Wirtschaft« belasten. Also lässt man Investoren und ihre rechtlichen Vehikel lieber im Halbschatten herumwirtschaften, als sie mit Bürokratie und Weltverbesserung zu quälen. Leider wird das selten so offen gesagt, und viele Menschen bekommen es daher auch nicht mit.

Neben der notwendigen Verteidigung geltenden Steuerrechts gegen die Offshore-Welt der Reichen und Mächtigen sind Fragen der steuerlichen Umverteilung 2017 trotz Bundestagswahlkampf etwas in den Hintergrund getreten. Leider scheinen sich die Deutschen im Schnitt lieber mit ihrer Angst vor dem Islam zu beschäftigen als mit der Frage, wer zukünftig welchen Anteil zur Finanzierung des Sozialstaats inklusive inte-grativer Maßnahmen für alle Unterprivilegierten leisten soll. Die AfD stimmte jedenfalls im EU-Parlament gemeinsam mit Christdemokraten und Liberalen gegen einen EU-weiten Mindeststeuersatz für Unternehmen, der ein wirksames Mittel gegen den innereuropäischen Steuersenkungswettlauf wäre. Und es wäre nicht verwunderlich, wenn Steuererleichterungen für Unternehmen auch in Deutschland wieder auf den Tisch kämen, nachdem in den USA Präsident Donald Trump mit seinem absolut unsozialen steuerpolitischen Umverteilungsprogramm vorgelegt hat.

Steuerpolitik scheint langweilig, kompliziert und schwer zu vermitteln. Aber Steuereinnahmen eröffnen uns Gestaltungsspielräume, die wir für gesellschaftliche Veränderungen brauchen. Deshalb bleibt uns Linken nichts anderes übrig, als uns auch weiterhin den Mund fusselig zu reden, darüber, dass wir die Umverteilung von unten nach oben aufhalten müssen und dass wir es können, wenn wir uns wieder Mehrheiten erkämpfen. In diesem Sinne auf ein neues Jahr der Steuerpolitik!

Unsere Autorin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin.

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