Nicht ganz umsonst
Die Bilanz des Staatsanwalts Kurt Schrimm
Der inzwischen im Ruhestand befindliche Staatsanwalt Kurt Schrimm war seit Ende September 2000 in Ludwigsburg Leiter der »Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen« gewesen. Er schreibt: »Ich war zwar von jeher an der Geschichte des 20. Jahrhunderts interessiert, hätte es mir jedoch nicht träumen lassen, dass ich einmal von Berufs wegen an der Erforschung und Aufklärung eines Teilabschnitts dieser Geschichte mitwirken würde.«
Mit seinen Erinnerungen will der Jurist klarstellen, dass es auch noch über 70 Jahre nach dem Ende des NS-Staats notwendig ist, jeden einzelnen NS-Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Ohne KZ-Aufseher und sonstige Helfer wäre das Vernichtungssystem nicht möglich gewesen, betont er zu Recht.
Schrimm berichtet, mitunter etwas langatmig, über mühsame Ermittlungsarbeit und sich hinziehende Verfahren, philosophiert über den »typischen« NS-Verbrecher und berichtet über seine größten Erfolge und größten Misserfolge als Staatsanwalt. Ein Erfolg war es sicherlich, Josef Schwammberger, Kommandant in verschiedenen SS-Zwangsarbeiterlagern im Distrikt Krakau, vor Gericht gebracht zu haben Misserfolge gab es zur Genüge. Der Jurist macht sich denn auch Gedanken darüber, inwieweit sein Tun dazu beigetragen hat, Verbrechen wie die in zwölf Jahren Hitlerdiktatur in Zukunft zu verhindern. Dabei kommt er zu einer eher negativen Prognose. Letztlich jedoch meint er: »Vielleicht trägt unsere Tätigkeit dazu bei, dass wir und unsere Nachfahren wachsamer sind als unsere Vorfahren und unser Bestreben auf zwei Dinge richten: Vermeidung von Diktatur und Krieg. Dann wäre unsere Arbeit auch im Hinblick auf die Zukunft nicht ganz umsonst gewesen.«
Bewegend sind seine Schilderungen von Begegnungen mit KZ-Überlebenden, die er als Zeugen befragte. Weniger relevant hingegen Informationen wie die, dass während einer Dienstfahrt im Zug die Heizung ausgefallen ist. Die Erinnerungen seiner Vorgänger im Amt, Adalbert Rückerl und Alfred Streim, schienen mir doch ergiebiger.
Kurt Schrimm: Schuld, die nicht vergeht. Den letzten NS-Verbrechern auf der Spur. Heyne, 400 S., geb., 22 €.
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