Mehr Fairness bitte!

Bündnis fordert von Politik, Behörden und Medien differenzierten Umgang mit dem Islam

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.

Rund 60 Imame stehen vor der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und halten Rosen in ihren Händen. Sie tragen Turbane und bunte Gewänder, andere sind im Anzug erschienen. Es sind die Teilnehmer am »Marsch der Muslime«, initiiert vom französischen Imam Hassen Chalghoumi und dem französisch-jüdischen Schriftsteller Marek Halter. Die Imame sehen sich als Friedensbotschafter und wollen ein Zeichen gegen den Terror setzen, der im Namen ihrer Religion begangen werde. Unter ihnen ist auch Mohamed Taha Sabri, Vorsitzender der Neuköllner Begegnungsstätte und Imam der Dar-Assalam-Moschee in Neukölln.

Das war im Juli 2017. Sechs Monate später gründet Martin Germer, Pfarrer der evangelischen Gedächtniskirche am Breitscheidplatz, das Bündnis »Ohne Unterschiede«, eine Initiative von Nicht-Muslimen, die »einen fairen Umgang mit Menschen muslimischen Glaubens und dem Islam« fordert.

Mit seiner Gründung veröffentlichte das Bündnis zum Jahresanfang 2018 einen Aufruf, der sich an Entscheidungsträger in der Politik, an Mitarbeiter von Behörden und an Journalisten richtet. Zu den Erstunterzeichnern gehören Winfriede Schreiber, ehemalige Präsidentin des Verfassungsschutzes des Landes Brandenburg, und Thomas M. Schimmel, Koordinator der Langen Nacht der Religionen. Sie fordern darin, Pauschalisierungen in der Berichterstattung und in Äußerungen über Muslime zu vermeiden, und stattdessen sorgfältig und differenziert zu informieren. Zu fairer Berichterstattung gehöre, auch über positive Entwicklungen und Initiativen in der muslimischen Community zu berichten und nicht nur über, sondern auch mit Muslimen zu sprechen.

»Häufig werden Begriffe munter durcheinander geworfen, ohne ausreichend zu differenzieren«, sagt Martin Germer dem »nd«. »Überhaupt wird sehr schnell mit Etiketten gearbeitet.« Medien zitierten sich gegenseitig, und plötzlich gelte eine Behauptung als wahr, nur weil viele Zeitungen sie veröffentlicht haben. Das sei gefährlich, meint Germer. Als Beispiel nennt er Medienberichte, die einen Islamwissenschaftler zitierten, der behauptete, die Dar-Assalam-Moschee von Taha Sabri gelte als salafistisch. Das sei unreflektiert wiedergegeben worden, denn bisher sei die Moschee niemals als salafistisch bezeichnet worden, meint Martin Germer.

Überhaupt, die Dar-Assalam-Moschee: Stets aufs Neue wiederholen Journalisten in ihren Berichten, dass sie vom Verfassungsschutz beobachtet werde. Was zwar stimmt. Aber die Friedensinitiativen, die wiederholten Aufrufe gegen Antisemitismus auch in der muslimischen Community sowie Taha Sabris Einstehen gegen Terrorismus fänden in der Öffentlichkeit kaum Gehör, kritisiert Germer. Das sei ein Beispiel für das einseitige Bild über den Islam, das in vielen Medienberichten vermittelt werde. Und dafür, dass unreflektiert wiederholt werde, was andere schon vorher geschrieben hatten, statt selbst mit Vertretern der Moschee zu sprechen. Und dann gebe es noch diejenigen, die regelrechte Kampagnen führen: »Manche Autoren lassen keine Gelegenheit aus, die Dar-Assalam-Moschee in ein schlechtes Licht zu rücken.«

Germer lernte Taha Sabri nach eigenen Aussagen kurz nach dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz im Dezember 2016 kennen. Der Imam schlug vor, auf dem Platz eine Friedenskundgebung abzuhalten. Germer informierte sich daraufhin über die Moschee, die auch als Neuköllner Begegnungsstätte bekannt ist. Fortan hatten die beiden Geistlichen mehrfach miteinander zu tun. »Ich habe sein Engagement zu schätzen gelernt«, sagt Germer über Taha Sabri.

Der Pfarrer der Gedächtniskirche befasste sich von da an verstärkt mit dem Islam und wurde der teils »unausgewogenen« Berichterstattung in den Medien gewahr. Ab Sommer vergangenen Jahres tauschte er sich mit anderen Interessierten in Gesprächsrunden darüber aus. Im Mittelpunkt stand die Frage: »Was können wir tun?« Mit etwas Vorlauf entstand daraus das Bündnis »Ohne Unterschiede«.

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