Freier Hass ist nicht freies Internet

Katja Herzberg zur Debatte über das Netzwerkdurchsetzungsgesetz und Meinungsfreiheit im Netz

  • Katja Herzberg
  • Lesedauer: 2 Min.

Befinden wir uns tatsächlich im Jahr 2018 oder hat nicht eher Orwells 1984 begonnen? Wer die Debatte über das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, kurz NetzDG, verfolgt, kann durchaus den Eindruck gewinnen, das freie Wort stünde vor dem Ende. Doch nicht nur, dass in George Orwells Werk Facebook und Co. fehlen, auch die Meinungsfreiheit wird hierzulande gerade nicht außer Kraft gesetzt. Die sogenannten sozialen Netzwerke in die Verantwortung zu nehmen, macht sie nicht zur Gedankenpolizei. Facebook und Co. führen uns aber sehr wohl vor Augen, wie unsere Gesellschaft 2018 tickt, wenn Menschen dort Hass und Hetze als freie Meinungsäußerung verteidigen.

Die Qualität des nun festgeschriebenen Gesetzes hier mal außen vor gelassen – der Schritt dazu war richtig und wichtig. Die Unternehmen Facebook, Twitter etc. haben bereits vor Inkrafttreten des NetzDG nach ihren Hausregeln entschieden, was gelöscht und wer blockiert wurde. Politische Aktivisten wie Kerem Schamberger oder die österreichische Schriftstellerin Stefanie Sargnagel können davon ein Lied singen. Der Hass auf besagten Plattformen gerade auch gegen diese Menschen und ihre progressiven Positionen, gegen ihr aufklärerisches Tun, konnte sich dagegen Bahn brechen – und Filterblasen nähren. Dass Persönlichkeiten wie Schamberger und Sargnagel nun befürchten häufiger blockiert zu werden, muss wachsam machen. Rechtsradikale dürfen das NetzDG nicht dafür nutzen, ihre selbst erklärten Feinde zum Schweigen zu bringen.

Wer schon einmal Kommentare auf einer Homepage oder bei Facebook moderiert hat, weiß, dass die Menschenfeinde und ihre Hasspredigten dort derzeit die numerische Oberhand haben – im Übrigen auch ein Grund, weshalb sich manche von diesen »Medien« fernhalten. Eben diese Netzwerke haben nicht nur den Kneipen-Stammtisch in die virtuelle Welt verlagert, sie formen auch die Debattenkultur und den Medienkonsum. Auf solche Entwicklungen muss eine Gesellschaft und der sie zusammenhaltende Staat reagieren – wie er es auch tut, wenn ein Ozonloch am Himmel entdeckt wird und jeder weiß, dass Kühlschrankhersteller nur auf einen Stoff verzichten müssen, um die Atmosphäre nicht weiter zu zerstören.

Wie Autokonzernen mit Abgasnormen die Erhaltung unserer Gesundheit auferlegt wird, muss dies auch mit der Humanität im Facebook-Universum geschehen – wo sich, nebenbei bemerkt, alle Nutzer*innen freiwillig der Totalüberwachung aussetzen und ihre Daten auch noch verkaufen lassen. Wer dagegen Facebook enteignen und das Internet zu einem echten öffentlichen Ort machen will, sollte dafür Argumente auf den Tisch legen, nicht aber einer demokratisch gewählten Regierung vorwerfen, dass sie Gesetze geachtet sehen will – zu denen auch die Meinungsfreiheit zählt. Ein Grundrecht auf Veröffentlichung von Hass im Netz gibt es hingegen nicht.

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